Wissenswertes aus dem Gesundheitswesen: Nachrichten, Hintergründe, Interviews und mehr...
Branchenrelevante Informationen regelmäßig in Ihrem Postfach
Unter dem Titel „Mit Interoperabilität in die Zukunft – Standardisierte Daten verändern die Gesundheitsversorgung“ hat das Beratungsunternehmen Deloitte jetzt eine ausführliche Studie zum aktuellen Stand, zur Notwendigkeit und zur Weiterentwicklung von Interoperabilität in der Gesundheitsversorgung in Deutschland veröffentlicht. Dabei wird immer wieder auch auf Beispiele aus dem Ausland geschaut, die mögliche Lösungen aufzeigen. Die Notwendigkeit der Interoperabilität, also der „Fähigkeit von zwei oder mehr Produkten – einschließlich Software – desselben Herstellers oder verschiedener Hersteller, a) Informationen auszutauschen und b) die ausgetauschten Informationen für die korrekte Ausführung einer konkreten Funktion ohne Änderung des Inhalts der Daten zu nutzen und/oder c) miteinander zu kommunizieren und/oder d) bestimmungsgemäß zusammenzuarbeiten,“ wie der Begriff in §384 SGB V sowie der EU-Medizinprodukteverordnung definiert wird, sowie die damit verbundenen Vorteile, seien auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene erkannt worden und würden zwangsläufig realisiert werden, schreiben die Autoren. Dabei habe in Deutschland die Schaffung der syntaktischen Interoperabilität (also der standardisierten Austauschbarkeit) in den letzten Jahren verstärkt im Fokus gestanden, um sowohl Softwaresysteme innerhalb einer Gesundheitseinrichtung miteinander kommunizieren zu lassen als auch Daten über Gesundheitseinrichtungen hinweg übertragen zu können. Es seien z.B. Plattformen und Netzwerke von Krankenkassen oder auch kirchlichen Trägern etabliert worden. Diese Projekte seien vorwiegend auf Basis der syntaktischen Standards IHE und teilweise auch FHIR konzipiert worden mit dem Ziel, Gesundheitseinrichtungen auch sektorenübergreifend zu verbinden. Unter anderem durch fehlende semantische Harmonisierung und Governance der Daten innerhalb der einzelnen Gesundheitseinrichtungen seien diese Ansätze allerdings nur sehr wenig effizient und vornehmlich in kleinen oder mittelgroßen Gesundheitseinrichtungen gänzlich nicht in produktivem Einsatz, so das Urteil der Autoren. Skaliert über viele Gesundheitseinrichtungen hinweg habe sich nach aktuellem Stand kein Ansatz etabliert.
Als Grund sehen die Autoren unter anderem, dass es im Gesundheitsmarkt an der gesamtheitlichen Anwendung aller vier Standardebenen der Interoperabilität – der technisch-strukturellen, der syntaktischen, der semantischen (maschinelle Interpretierbarkeit) und der organisatorischen – fehle, welche die Grundlage für den Erfolg von Interoperabilität sei. Die Herausforderung sei, alle Standards in Einklang mit den Geschäftsprozessen zu bringen, sodass sie von jeder Gesundheitseinrichtung in gleicher Form und herstellerunabhängig zur Anwendung kämen. Hierzu sei ein starker Fokus auf Semantik und Data Governance zu legen. Ein Empfängersystem müsse eine Nachricht nicht nur technisch verarbeiten, sondern auch ihren semantischen Inhalt eindeutig interpretieren können. Je vernetzter ein Gesundheitssystem werde, desto wichtiger werde es, sich auf gemeinsame semantische Standards zu beziehen, um die Kommunikation zwischen den verschiedenen Systemen belastbar sicherzustellen. Besonders zu beachten sei, dass Standards stringent eingehalten werden müssten und nur durch gemeinsam im Ökosystem abgestimmte Änderungen weiterentwickelt werden dürften.
Um Informationen automatisch interpretierbar zu machen, sei die Strukturiertheit von Daten von Bedeutung. Nur so könne Semantik realisiert und darauf aufbauend der Vorteil von künstlicher Intelligenz und Entscheidungsunterstützungssystemen genutzt werden. Die strukturierte und granulare Ablage von Daten werde die Ablage unstrukturierter Daten in Form von PDF-Dateien und Bildern insofern ersetzen, als dass unstrukturierte Formate wie z.B. Arztbriefe als PDF nur noch zur forensischen Langzeitbeweiswerterhaltung dienen würden, nicht aber zur Einsicht im operativen Bereich, so die Autoren.
Zusammenfassen erkennen die Autoren in der Umsetzung von Interoperabilität insbesondere auch durch die in föderalistischen nebeneinander gewachsenen Systemlandschaften und die damit einhergehenden differenzierten Datenstrukturen eine besondere Herausforderung. Die Realisierung von Interoperabilität und den damit verbundenen Vorteilen für Mensch und Gesundheitsindustrie sei lange Zeit auch durch Interessenskonflikte unterschiedlicher Stakeholder im Gesundheitsmarkt blockiert und nicht konsequent und gemeinschaftlich forciert worden.
Durch aktuelle regulatorische Vorgaben müssten nun aber unter anderem stationäre Leistungserbringer Maßnahmen bezüglich Interoperabilität mit Nachdruck umsetzen (unter anderem laut der Fördertatbestände 2-6 des Krankenhauszukunftsgesetzes), was für diese Gesundheitseinrichtungen einen erheblichen Aufwand bedeute. Der Aufwand werde in Teilen durch die veranschlagten Fördersummen gedeckt, wobei bereits jetzt klar sei, dass Folgekosten nach den Förderzeiträumen entstehen werden und hierfür Business Cases oder andere Finanzierungsmodelle zur Deckung künftiger Kosten notwendig seien. Eine konkrete Kalkulation bzgl. Investitions-, Folge- und Betriebskosten versus dem damit verbundenen Mehrwert der Etablierung der Interoperabilität sei aktuell nur unter Berücksichtigung etwaiger Annahmen zu erstellen. Derzeit gebe es noch keine Gesundheitseinrichtung in Deutschland, die über eine etablierte, operational funktionierende Interoperabilität sowie konsequent darauf aufbauende Geschäftsmodelle verfüge. Orientierung an bestehenden Businessmodellen in anderen Regionen könnten hier eine gute Orientierung geben und geeignete Annahmen für konkrete Kosten-Nutzen-Rechnungen liefern.
Die Autoren heben hervor, dass die einzelnen Standardisierungsorganisationen mittlerweile immer intensiver zusammenarbeiten würden und beispielsweise die Organisationen um den Standard HL7R FHIRR sich mit anderen etablierten Institutionen wie IHE und DICOM sowie Terminologieservices wie LOINC oder SNOMED CT in einem immer engeren Austausch befinden würden. Theorie und Praxis würden sich durch solche Kooperationen immer mehr annähern. Die damit einhergehende stärkere Zusammenführung der einzelnen Ebenen von Standards sei zum Vorteil der Interoperabilität – und damit zum Vorteil der Gesundheitsversorgung.