Im Koalitionsvertrag: Neues Berufsbild der „Community Health Nurse“

01.02.2022, medhochzwei
Interviews & Kommentare, Pflege

Der Koalitionsvertrag 2021–2025 enthält einige wichtige Aussagen zu den Pflegeberufen. So soll die akademische Pflegeausbildung gemeinsam mit den Ländern gestärkt werden. Dort, wo Pflegefachpersonen in Ausbildung oder Studium bisher keine Ausbildungsvergütung erhalten, sollen Regelungslücken geschlossen werden. Professionelle Pflege soll durch heilkundliche Tätigkeiten ergänzt werden und es soll das neue Berufsbild der „Community Health Nurse“ geschaffen werden.

Wie kann man sich die Umsetzung des letzteren Anliegens vorstellen? Da der Koalitionsvertrag die Tätigkeit der Bundesregierung bestimmen soll, kann mit dem Koalitionsvertrag auch nur die gesetzgeberische Tätigkeit auf Bundesebene angesprochen werden. Die wenigen – bisher existierenden – Qualifizierungsmöglichkeiten zur Community Health Nurse (CHN) finden zurzeit in Masterstudiengängen, also aufgrund hochschulischer und damit landesrechtlicher Regulierung statt. Wenn es zum Berufsbild der CHN gehören soll, auch heilkundliche Tätigkeiten selbstständig auszuüben, ist aber der Bundesgesetzgeber gefragt. Nur dieser hat die Gesetzgebungskompetenz für die Zuerkennung selbstständig auszuübender heilkundlicher Tätigkeiten an bestimmte Gesundheitsberufe. Schon bisher finden sich die Vorschriften zur Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten zur selbstständigen Ausübung durch Pflegefachberufe in einem Bundesgesetz. Das gilt für die entsprechenden Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c und § 64d SGB V. Die damit korrespondierenden Ausbildungsvorschriften sind ebenso bundesgesetzlich im Pflegeberufegesetz geregelt. Wenn jetzt beabsichtigt ist, und so ist die entsprechende Passage im Koalitionsvertrag zu verstehen, die selbstständige Ausübung von heilkundlichen ärztlichen Tätigkeiten nicht nur im Rahmen von Modellvorhaben, sondern dauerhaft an die Pflegefachberufe zu übertragen, bedarf es deshalb ebenfalls eines Bundesgesetzes.

Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass das Berufsbild der CHN im Sinne einer hochschulischen Weiterqualifikation auf Masterniveau zu konfigurieren ist. Im Pflegeberufegesetz ist die hochschulische Pflegeausbildung bereits auf Bundesebene geregelt, ebenso wie Inhalt und Gliederung dieser Ausbildung in einer Bundesrechtsverordnung, der Pflege-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung. Allerdings sind die diesbezüglichen Vorschriften gegenwärtig an einer primärqualifizierenden Pflegeausbildung ausgerichtet. Aber es wäre durchaus denkbar, diese Vorschriften um Regelungen zur Weiterqualifikation von Pflegefachberufen im Sinne eines CHN-Masterstudiums entsprechend zu ergänzen und insbesondere die Kompetenzanforderungen hierzu zu formulieren. Damit wäre auch ein bundeseinheitlicher Weg bei der Schaffung des Berufsbildes der CHN eröffnet, was im Übrigen auch der Fall wäre, wenn man an ein eigenes Heilberufsgesetz zur CHN denkt.

Prof. Dr. jur. Gerhard Igl arbeitete ab 1976 als wissenschaftlicher Referent am Max-Planck- Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in München. Ab 1985 war er Professor an der Universität Hamburg, 1996 wechselte er an die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, wo er bis zu seiner Pensionierung im September 2014 den Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Sozialrecht innehatte und geschäftsführender Vorstand des Instituts für Sozialrecht und Gesundheitsrecht war. Seine Forschungsschwerpunkte liegen vor allem im deutschen und europäischen Sozialrecht, im Gesundheitsrecht, im Recht der älteren Menschen und im Recht des bürgerschaftlichen Engagements. Er ist ein Autor des medhochzwei Verlags und hat mit Prof. Martin Burgi einen entsprechenden Beitrag über Interprofessionalität/Pflege und Fachberufe geschrieben.

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