Reaktivierung von Traumata: Menschen mit Demenz reagieren!

06.04.2022, medhochzwei
Demenz, Heilberufe, Wissenschaft & Forschung

In einem ausführlichen Beitrag geht der Gerontopsychiater Prof. Dr. Dr. med. Rolf-Dieter Hirsch für die Deutsche Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz (DAlzG) auf die Problematik der Reaktivierung von Traumata, z. B. durch Medien oder Gespräche, bei Menschen mit Demenz ein. 

Bei manchem alten Menschen sei es erstaunlich, dass nach einem jahrzehntelangen mehr oder weniger beschwerdefreien Intervall Traumata mit plötzlicher Wucht reaktiviert würden, schreibt Hirsch. Sie seien gefangen in einer früheren schweren traumatischen Situation. Dabei gehe es weniger um die sachlich erinnerbaren Fakten als vielmehr um die mit diesen Erlebnissen zusammenhängenden Gefühle von Angst, Panik und Hilflosigkeit, einer bedrohlichen oder beängstigenden Situation ausgeliefert zu sein. Unser Unbewusstes sei zeitlos – Erlebtes wird nicht gelöscht, sondern höchstens mit einem hohen psychischen Kraftaufwand verdrängt und abgewehrt, so Hirsch. Durch äußere oder innere Reize könnten traumatische Erlebnisse bzw. die damit verbundenen Gefühle reaktiviert und wiedererlebt werden. Diese Phänomene würden diagnostisch als „Posttraumatische Belastungsstörungen“ (PTBS) bezeichnet.

Menschen mit Demenz seien in zunehmendem Maße kognitiv eingeschränkt und würden Reize oft in verzerrter Weise wahrnehmen. Sie lebten im „Hier und Jetzt“ und seien dadurch besonders gefährdet, frühere traumatische Erlebnisse bei unterschiedlichen Reizen so zu erleben als wären sie aktuell und sehr bedrohlich, erläutert Hirsch in seinem Artikel. Da auch ihre verbale Verständigung zunehmend eingeschränkt sei, könnten sie sich mit fortschreitender Erkrankung überwiegend nur nonverbal mit Mimik, Gestik und Verhalten äußern, welches für die betreuenden Personen oft nicht nachvollziehbar sei. Dies könne zu Missverständnissen und Beziehungsstörungen bis zu Aggressionen und Gewalthandlungen führen.

Nach der akuten Situation sollte man überlegen, wie man auslösende Faktoren (z.B. Fernsehsendungen, Zeitungen oder Gespräche mit Kriegsinhalten) verringern und welche Umgangsweisen man in Zukunft bei einer ähnlichen akuten Situation einsetzen könnte, empfiehlt der Autor. Hilfreich sei, dies mit allen Mitarbeitenden oder Angehörigen zu besprechen und Fachleute einzubeziehen. Förderlich könne für Menschen mit Demenz sein, ihre Emotionen durch Malen oder Musik (z.B. bekannte Lieder singen) auszudrücken. Dieser schöpferische Akt könne auch tröstende Wirkung haben. Bewegung (vielleicht auch Tanzen), körperliches Ausagieren, könne das Spüren eigener Kräfte verstärken und zur Verringerung von innerer Unruhe und Spannung führen. Auch humorvolle Angebote könnten durchaus sinnvoll sein, schreibt Hirsch.

Den vollständigen Beitrag finden Sie auf der Internetseite der DAlzG.

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