Umfrage zeigt: Technik-Mängel verhindern „digitaleres“ arbeiten in den Praxen

10.05.2022, Sven C. Preusker
Digital Health, Politik & Wirtschaft

Technische Probleme behindern massiv die Einführung von eAU und eRezept. Das ist das Ergebnis einer Online-Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Ende April, an der sich laut der KBV rund 6.000 Arztpraxen beteiligt haben. Als besonders störend seien wiederholte Konnektor- und Programmabstürze sowie häufige Fehlermeldungen genannt worden, hieß es von der KBV.

Größtes Hindernis für die Anwendung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) sind der Umfrage zufolge Probleme mit der Telematikinfrastruktur. Für über 60 Prozent der Praxen, die die eAU noch nicht einsetzen, stelle dies einen der Hauptgründe dar, warum sie weiterhin das alte Verfahren nutzen, so die KBV. Technische Probleme auch mit der Software oder dem KIM-Dienst würden zum Teil über Monate nicht behoben – keiner fühle sich zuständig, hieß es.

Nur 30 Prozent der Arztpraxen, die bereits Erfahrungen mit der eAU gemacht haben, berichteten, dass das Ausstellen und der Versand der eAU bis auf kleinere Probleme gut laufe. Über 60 Prozent gaben hingegen an, dass der digitale Versand zeitweise nicht möglich sei. Fast jeder zweite nannte Probleme bei der Erreichbarkeit von IT-Dienstleistern und -Anbietern. 34 Prozent der Befragten monierten häufige Fehlermeldungen der Krankenkassen. Beklagt wurde zudem der hohe Arbeitsaufwand.

Die Probleme würden nicht selten dazu führen, dass Ärzte wieder auf das alte Verfahren umsteigen, hieß es von der KBV. Immerhin jede fünfte Praxis, die die eAU derzeit nicht nutzt, gab demnach als Grund an, negative Erfahrungen mit dem digitalen Versand gesammelt zu haben. Darunter seien auch etliche, die gleich zu Beginn der Einführung der eAU im Herbst 2021 startbereit waren, so die KBV.

„Die Ergebnisse zeigen eindrücklich, dass die Ärzteschaft dabei ist, alle Komponenten und Anwendungen einzurichten und zu nutzen, aber vielfach an der Technik scheitert“, betonte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel und fügte hinzu: „Viele Ärztinnen und Ärzte sind frustriert.“ Sie hätten alle nötigen Komponenten angeschafft und würden gerne digital arbeiten. Doch häufig sei das nicht möglich.

Probleme auch beim eRezept

Die Schwierigkeiten bei der eAU hätten auch große Auswirkungen auf die Bereitschaft der Praxen, auf das elektronische Rezept (eRezept) umzustellen, folgerten die KBV-Analysten aus den Umfrageergebnissen. Da sich diese Anwendung zurzeit noch in einer bundesweiten Testphase befinde, hätten bislang nur sieben Prozent der Befragten überhaupt Erfahrungen mit dem eRezept sammeln können. Von diesen gab jedoch nur knapp jeder Zehnte an, das Ausstellen der eRezepte habe bis auf kleinere Probleme funktioniert.

59 Prozent berichteten dagegen von zeitweisen Problemen beim digitalen Versand. Zwei Drittel (67 Prozent) haben die Erfahrung gemacht, dass die IT-Dienstleister und -Anbieter schlecht erreichbar sind. Mehr als die Hälfte (51 Prozent) gab außerdem Schwierigkeiten beim Einlösen der eRezepte in der Apotheke an.

Zudem verwiesen 62 Prozent auf Akzeptanzprobleme bei den Patienten. In diesem Zusammenhang wurde auch der Nutzen des eRezepts angezweifelt, da gerade ältere Patienten als Hauptnutzer oftmals kein Smartphone besäßen und das eRezept deshalb nicht digital nutzen könnten. Der Ausdruck aber erscheint vielen Praxen als wenig sinnvoll, da damit nur ein Papier das andere ersetze.

Das Ausstellen und Versenden der eRezepte wird von vielen Praxen als zeitaufwändig und umständlich beschrieben, vor allem solange die Komfortsignatur nicht nutzbar sei oder nutzerfreundlich umgesetzt werde, so die KBV.

Auf die Frage, warum sie noch keine eRezepte ausstellen, wurden auch hier von 59 Prozent der Befragten Probleme mit der Telematikinfrastruktur genannt. Bei einem Drittel (32 Prozent) konnte das entsprechende Update des Praxisverwaltungssystems noch nicht installiert werden. Die Praxen gaben hier sogar an, dass die IT-Dienstleister aufgrund von technischen Problemen von der Nutzung abraten würden. Bei einem weiteren Drittel (30 Prozent) sind die Apotheken in der Umgebung noch nicht empfangsbereit.

Fehlerfreiheit Voraussetzung für Regelbetrieb

Von der KBV hieß es, man werde nach Vorlage der Umfrageergebnisse erneut an die politischen Entscheider herantreten, um praktikable Lösungen herbeizuführen. Erste Gespräche hätten bereits stattgefunden. „Die Politik, aber auch die gematik kann vor diesen massiven Problemen nicht die Augen verschließen“, sagte Kriedel und fuhr fort: „Erst wenn beide Anwendungen fehlerfrei laufen, können sie in den Regelbetrieb gehen. Dazu muss zunächst die Telematikinfrastuktur funktionieren.“

Bereits im Januar hatte die KBV eine erste Online-Befragung durchgeführt und daraus Forderungen für die Digitalisierung in Arztpraxen und die Einführung neuer TI-Anwendungen abgeleitet.

Die Ergebnisse der Januar-Befragung hatten gezeigt, dass Anfang des Jahres zwar schon fast jede zweite Arztpraxis (rund 40 Prozent) über das Softwaremodul für die eAU verfügte, doch lediglich jede fünfte Praxis die Bescheinigungen für die Krankenkasse auch digital übermitteln konnte. Ein ausschließlich elektronischer Versand war damals nur 13 Prozent der Praxen möglich. Als Gründe, warum die eAU in ihrer Praxis im Januar noch nicht möglich war, gaben die Befragten vor allem Probleme mit dem KIM-Dienst und dem Update des Praxisverwaltungssystems an.

Als Reaktion auf die Ergebnisse der Umfrage sprach sich beispielsweise Peter Andreas Staub, Vorstandsmitglied der KV Rheinland-Pfalz, dafür aus, die TI in der jetzigen Form und die Strafsanktionen auszusetzen und eine neue Strategie zu entwickeln.

Die gematik hat derweil bei ihrer Gesellschafterversammlung am 9. Mai die Entscheidung über eine flächendeckende Einführung des E-Rezepts erneut vertagt. 

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