Digitalisierung in der Pflege: Beteiligte strategisch einbinden

16.07.2022, Sven C. Preusker
Digital Health, Pflege, Politik & Wirtschaft

Der Koalitionsvertrag der amtierenden Bundesregierung sieht eine regelmäßig fortgeschriebene Digitalisierungsstrategie im Gesundheitswesen und in der Pflege vor. Das Verbändebündnis „Digitalisierung in der Pflege“ setzt sich dafür ein, die Beteiligten des Pflegesektors aktiv in diesen Strategieprozess einzubeziehen. 2020 vom Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland (VdDD) und dem Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) initiiert, gehören dem Bündnis außerdem der Deutscher Pflegerat (DPR), der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP), der Fachverband Informationstechnologie in Sozialwirtschaft und Sozialverwaltung (FINSOZ), der Verband für Digitalisierung der Sozialwirtschaft (vediso) und der Verband katholischer Altenhilfe in Deutschland (VKAD) an. 

Bei einem Treffen mit Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) Mitte Juni machten Vertreterinnen und Vertreter des Bündnisses deutlich, welche Chancen die Digitalisierung gerade für Pflegebedürftige und Pflegende biete. Zugleich gebe es besondere Hürden, etwa bei der technischen Ausstattung der Einrichtungen, der Anerkennung digitaler Dokumente und der Refinanzierung, betonen die Verbändevertreter. Der Gesundheitsminister begrüßte den initiierten Austausch und sicherte dem Bündnis zu, über die anstehenden Schritte zur Digitalisierung der Pflege im Gespräch zu bleiben.

Das Bündnis setzt sich dafür ein, die Digitalisierungsstrategie für die Pflege an fünf übergeordneten Zielen auszurichten, darunter die Vermeidung von Pflegebedürftigkeit, einer besseren pflegerische Versorgung und besseren Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte. Die flächendeckende technische Infrastruktur in den pflegerischen Einrichtungen müsse sichergestellt werden, ebenso Nachhaltigkeit und eine stabile Refinanzierung der Digitalisierungskosten. Hierzu hat das Bündnis beim Treffen im Gesundheitsministerium das Konzeptpapier eines Nationalen Strategieplans vorgelegt.

Aus Sicht des Verbändebündnisses ist es wichtig, das projektbezogene Denken zu überwinden und die Digitalisierung ganzheitlich und strukturell anzugehen. Für das Gelingen entscheidend sei das Mitwirken und die Expertise aller Beteiligten, etwa der Pflegebedürftigen, Pflegenden, Leistungserbringer sowie der IT- und Softwarehersteller. Vor diesem Hintergrund empfiehlt das Bündnis die Einrichtung eines „Kompetenzzentrums Digitale Pflege“. Dieses solle als beratende und Orientierung gebende Organisationsstruktur beim Bundesgesundheitsministerium angesiedelt sein und die diversen Stakeholder über ein Expertengremium kontinuierlich einbeziehen. Aufgabe des Kompetenzzentrums wäre es, den Einsatz digitaler Technologien in der Pflege zu analysieren und auszuwerten, strategische Teilziele zu formulieren sowie operative Maßnahmen zu planen, umzusetzen und zu evaluieren, hieß es. Das Kompetenzzentrum könne die strategischen Ziele in Teilziele und operative Maßnahmen konkretisieren und übersetzen. Im Strategiepapier werden dem Kompetenzzentrum folgende Aufgaben zugeschrieben:

  • Forcierung und Unterstützung der Digitalisierung in der Pflege über alle Pflegesettings hinweg (ambulante, teil- und vollständige Akut- und Langzeitpflege) im Kontext der Weiterentwicklung eines menschenzentrierten und modernen Sozial- und Gesundheitswesens.
  • Entwicklung von Analyse- und Evaluationsverfahren, Erarbeitung von Teilzielen sowie Erarbeitung von operativen Maßnahmenplanungen zur Digitalisierung der Pflege und deren Umsetzung.
  • Das Kompetenzzentrum kann auch Empfehlungen, Leitlinien und verbindliche Standards erarbeiten, beispielsweise zur elektronischen Patientenakte, Interoperabilität sowie zu digitalen Anwendungen und Applikationen
  • Gestaltung der digitalen Transformation in allen Pflegesettings, Vernetzung der Akteure sowie Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz von Digitalisierung in der Pflege.
  • Think Tank, Sparringspartner und Umsetzungsunterstützer für das Ministerium sowie nachgeordnete und weitere Behörden.
  • Anlaufstelle und Brückenbauer für die Verbände der Pflegebedürftigen, Pflegenden (beruflich Pflegende und Angehörige) und alle weiteren wesentlichen Stakeholder im Bereich der Pflege und Digitalisierung in der Pflege.
  • Begleitende Kommunikation und Aufklärung über die Grundlagen und angestoßenen Entwicklungen beispielsweise in Form von Kongressen, Bildungsangeboten und Veranstaltungen.

Das Konzeptpapier zum Nationalen Strategieplan finden Sie hier als pdf-Dokument.

Standardisierte Schnittstelle für Pflege-IT veröffentlicht

Derweil hat die gematik die erste Stufe des Standards für „Informationstechnische Systeme in der Pflege“ (ISiP), die sich auf die Spezifizierung der relevanten Stammdaten eines Pflegeempfängers beschränkt, zum 01. Juli 2022 veröffentlicht. ISiP soll durch die Festlegung und Verwendung von offenen und standardisierten Schnittstellen helfen, mehr Effizienz, Übersichtlichkeit und verständliche Kommunikation ins System zu bringen. Insbesondere beim Wechsel eines Pflegeempfängers von, in, oder zwischen Pflegeeinrichtungen biete ein strukturierter Austausch der Stammdaten und Pflegedaten einen Mehrwert, indem bereits erhobene Daten direkt weitergenutzt werden könnten und das aufwendige manuelle Anlegen des Patienten im neuen Pflegesystem entfalle, so die gematik.

Bisher ist die Landschaft informationstechnischer Systeme im Bereich der Pflege enorm heterogen: Für die Patientenstammdatenverwaltung, die pflegerische Planung und Dokumentation bis hin zur Essenplanung werden meist verschiedene, auf das jeweilige Fachgebiet spezialisierte Systeme verwendet. Das stellt eine enorme Herausforderung für die Vielzahl der dafür benötigten IT-Schnittstellen dar, für die ISiP eine Lösung sein soll.

Technische Details zu ISiP sind hier nachzulesen, die Spezifikation ist hier zu finden. 

 

Dieser Artikel stammt aus dem medhochzwei Newsletter 13-2022. Jetzt abonnieren und keine wichtigen News aus der Branche mehr verpassen!

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