„Erwarte Krankenhausreform, die tatsächlich Probleme adressiert!“

03.05.2023, Sven C. Preusker
Interviews & Kommentare

Prof. Jens Scholz ist seit 2009 Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein und seit Mitte 2021 der erste Vorsitzende des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD). Außerdem ist er Wissenschaftlicher Leiter des Forums Spitzenmedizin beim Hauptstadtkongress 2023. 

medhochzwei: Prof. Scholz, der Sommer 2023 wird gesundheitspolitisch sicher interessant – Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach möchte die revidierten Eckpunkte für eine große Krankenhausfinanzierungs- und Strukturreform vorlegen, die alle Bereiche der stationären Versorgung und auch die Verflechtungen mit der ambulanten Versorgung berühren wird. Was erwarten Sie allgemein von dieser Reform?

Prof. Jens Scholz: Ich erwarte eine Krankenhausreform, die tatsächlich die Probleme adressiert. Bund und Länder müssen dabei eng zusammenarbeiten. Einerseits brauchen wir in den Ländern eine tatsächliche Planung und nicht mehr nur ein Fortschreiben der Krankenhauspläne. Wir brauchen dafür eine gestufte Versorgung mit klarer Rollenzuordnung der Krankenhäuser, das heißt klar definierte Versorgungsaufträge. Der Bund muss die Finanzierung so regeln, dass der Aufwand, der mit diesen verschiedenen Versorgungsaufträgen verbunden ist, auch ausgeglichen wird. Allein die Extremkostenfälle führen bei den Uniklinika pro Jahr und Standort zu einem Fehlbetrag von über drei Millionen Euro. Im aktuellen DRG-System lässt sich das nicht korrigieren. Über die geplante Vorhaltefinanzierung kann man dies besser berücksichtigen. Damit die Reform zum Erfolg wird, müssen die Entscheidungsträger allerdings kooperieren. Die Notwendigkeit für diese Reform ist jedoch so groß, dass ich zuversichtlich bin, dass das klappt.

mhz: Auch die universitäre Spitzenmedizin wird natürlich von den anstehenden Reformen betroffen sein. Welche Szenarien erwarten Sie da, auch mit Blick auf die vorliegenden Konzepte?

Prof. Scholz: Die Regierungskommission hat entsprechend des Koalitionsvertrages einen guten Vorschlag mit fünf Versorgungsstufen gemacht, darunter das Level IIIU für die Universitätsmedizin. Damit verbunden sind die Wahrnehmung hochspezialisierter Versorgungsaufgaben und die besondere Koordinierungsfunktion der Uniklinika, wie wir das in der Pandemie besonders eindrücklich gesehen haben. Das stellt niemand in Frage. Daher nehme ich auch eine breite Akzeptanz für das Level IIIU in der Politik wahr. Damit würde man erstmals die besondere Rolle der Universitätsmedizin in der Versorgung würdigen.

mhz: Der Mangel an Fachkräften ist praktisch überall in der medizinischen Versorgung zu spüren – aber ist es eigentlich wirklich ein Mangel oder eher ein suboptimaler Einsatz des vorhandenen Personals, was diesen Eindruck vermittelt?

Prof. Scholz: Im internationalen Vergleich haben wir im Gesamtsystem ausreichend medizinisches Fachpersonal, zumindest Stand heute. In der Tat ist die Verteilung von Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegekräften nicht optimal. Sie müssen ja auch in einem kleinen Krankenhaus 24/7 eine ärztliche Bereitschaft sicherstellen. Und wenn man viele kleine Krankenhäuser hat, wie wir in Deutschland, dann ist dort viel Personal gebunden, das woanders dringender gebraucht wird. In größeren Strukturen werden die Fachkräfte effektiver eingesetzt und sie haben zudem eine vielfältige Auswahl an Arbeitszeitmodellen. 

mhz: Welche Maßnahmen können da Abhilfe schaffen?

Prof. Scholz: Der Fachkräftemangel wir in den nächsten Jahren noch viel deutlicher spürbar sein als heute. Auch deswegen kommen wir an einer Krankenhausstrukturreform nicht vorbei. Diese muss zu einem gesteuerten Konzentrationsprozess führen. Wer diese Reform ablehnt, wird letztlich zum Totengräber des Systems. Denn in einem ungesteuerten Prozess drohen Häuser in der Fläche vom Netz zu gehen, obwohl man sie dort dringend bräuchte. Das wäre der falsche Weg. Stattdessen müssen wir zuallererst schauen, wie man Überversorgung in den Ballungsräumen abbaut. Das heißt, kleine Häuser in Großstädten müssten als erstes auf den Prüfstand. Wichtiges Instrument bei der Versorgung in der Peripherie ist die Kooperation und telemedizinische Vernetzung kleinerer Häuser mit der Universitätsmedizin. So können wir das Know-how in die Fläche bringen. Ambulantisierung ist natürlich auch ein zentraler Baustein. Mit den Hochschulambulanzen ist die Universitätsmedizin auch hier ein Vorreiter. Was uns hingegen nicht helfen wird, ist der Ruf nach mehr Personal – denn das wird einfach nicht kommen. Mehr Medizinstudienplätze sind auch kein Allheilmittel, denn die Ausbildung dauert insgesamt 12 Jahre. Zudem wurden in den vergangenen Jahren die Studienplatzzahlen schon in einem gesunden Maße erhöht. Und das Studium gibt es ja nicht zum Nulltarif, die Bundesländer müssen das auch irgendwie finanzieren. Es bleibt dabei: im internationalen Vergleich stehen wir heute gut da. Wir müssen mithilfe der Krankenhausreform einfach zu einer besseren Verteilung kommen.

mhz: Sie sind Wissenschaftlicher Leiter des Forums Spitzenmedizin auf dem Hauptstadtkongress 2023 vom 14. bis 16. Juni im hub27 der Messe Berlin. Welche Impulse werden von diesem neuen Forum ausgehen?

Prof. Scholz: Ich erhoffe mir eine deutlichere Sichtbarkeit der Universitätsmedizin und ihrer besonderen Aufgaben. Unser Ziel als Ärztinnen und Ärzte und auch als Verantwortungsträger im Klinikum ist ja, Spitzenversorgung für alle zu ermöglichen. Das heißt nicht, dass alle Patientinnen und Patienten in der Universitätsmedizin behandelt werden sollen. Das ist unrealistisch und auch gar nicht sinnvoll. Spitzenversorgung für alle erreichen wir am besten durch die Versorgung im Netzwerk. Dafür braucht es klare Versorgungsaufträge für jeden Leistungserbringer. Und wie im Fußball braucht es auch einen Mannschaftskapitän, der das Zusammenspiel koordiniert. Diese Rolle kann nur die Universitätsmedizin ausfüllen, weil sie umfassend versorgt und interdisziplinär arbeitet. Ich bin sicher, dass die Diskussionen auf dem Hauptstadtkongress dies deutlich machen werden.

mhz: Vielen Dank für das Gespräch!

 

Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 09-2023. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!

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