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Ein Highlight während des Hauptstadtkongresses am medhochzwei-Stand war sicherlich der Pflegetalk am 26. Juni. Moderator Prof. Thomas Klie, Leiter des Instituts AGP Sozialforschung und Herausgeber und Schriftführer der Zeitschrift Case Management, gab zu Beginn einen Einblick in die zu erwartenden Entwicklungen der nächsten Jahre. Er sprach unter anderem über die Kipp-Punkte, die in vielen Bundesländern bereits Ende der 2020er Jahre erreicht werden – gemeint sind die Zeitpunkte, zu denen mehr Pflegekräfte aus dem Beruf altersbedingt ausscheiden als nachrücken können.
Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit, betonte, dass der doppelte demographische Faktor ein immenses Problem für die Sozialsysteme wird. Dieser besteht darin, dass die Baby-Boomer einerseits den Arbeitsmarkt verlassen, zusätzlich nehmen sie dann auch Leistungen der Sozialversicherung wahr. Hinzu kommt, dass wegen der geburtenschwachen Jahrgänge Nachwuchs in allen Bereichen fehlt, so auch in den Pflegeberufen. Während die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, nimmt die Zahl der verfügbaren Fachkräfte ab. Die aktuell schon schwierige Situation sei nicht ansatzweise mit dem zu vergleichen, was dann komme, hieß es von den Diskutanten. Eine aktuelle Studie des IGES Instituts im Auftrag der DAK-Gesundheit, die auch zur Sprache kam, hatte Anfang der Woche gezeigt, dass die aus der Politik immer wieder betonte Höchstgrenze von 40 Prozent Sozialbeiträgen nicht zu halten sein wird. Werde nicht gegengesteuert, drohe bis 2035 ein Anstieg des Gesamtbeitrags der Sozialversicherung um 7,5 Prozentpunkte auf 48,6 Prozent, so die Autoren der Studie. Mithilfe einer stärkeren Steuerfinanzierung und einer an den Einnahmen orientierten Ausgabenkontrolle in der GKV ließe sich dieser Anstieg aber dämpfen.
Auch Dr. Elisabeth Fix, Leiterin der Kontaktstelle Politik im Deutschen Caritasverband, wies auf die drastisch steigenden, demographisch bedingten Bedarfe und das demgegenüber drastisch sinkende Fachkräftepotential hin. Sie betonte, das Pflegende Angehörige gestärkt werden müssten – in dem Sinne, dass sie auch ihre Erwerbstätigkeit neben der Pflege aufrechterhalten können. Außerdem müsse die Situation der Live-Ins (Pflegende, die bei den Pflegebedürftigen wohnen) dringend verbessert werden.
Emmi Zeulner, Mitglied des Deutschen Bundestages und Gesundheits- und Krankenpflegerin, sprach von einer notwendigen „Revolution in der Pflege“. Es sei nötig, Pflege stärker in der Häuslichkeit hinzubekommen – durch Quartierspflege, durch mehr Verantwortung, durch die Kommunen, durch Bedarfsplanung – und die teuren Strukturen zu entlasten. Zeulner forderte, einen neuen Generationenvertrag auf den Weg zu bringen. Sie nannte das Stichwort „caring community“ – schaffen wir es, die Strukturen zur Versorgung, losgelöst von der Familie, wieder aufzubauen? Die Politikerin forderte mit Zustimmung der anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer außerdem die Einsetzung einer Enquetekommission sektorenübergreifende Versorgung (oder Pflege, die Bezeichnung sei unerheblich), um die Grundlagen für eine große Pflegereform zu schaffen, die die nächste Bundesregierung mit höchster Priorität angehen müsse.
Tenor der Veranstaltung: Wir müssen die Art und Weise, wie wir Pflege organisieren, neu denken – dazu gehört neben den genannten Punkten z. B. auch die Professionalisierung der Pflege.
Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 12-2024. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!