Bereitstellen einer digitalen Marktplatzinfrastruktur mit § 11 Abs. 1a ApoG vereinbar

21.07.2024, Prof. Hans Böhme, Healthcare & Hospital Law
Politik & Wirtschaft, Recht, Versorgung

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 13.03.2024 unter dem Aktenzeichen 6 U 418/22 folgendes entschieden:
1. § 11 Abs. 1a ApoG steht dem Bereitstellen einer digitalen Marktplatzinfrastruktur durch einen Dritten, über die teilnehmende Apotheken gegen eine monatliche Grundgebühr (auch) rezeptpflichtige Arzneimittel verkaufen können, nicht generell entgegen, auch wenn (elektronische) Verschreibungen vom Kunden unter Nutzung dieser digitalen Infrastruktur an die von ihm gewählte Apotheke übermittelt werden können.
2. Nach § 8 Satz 2 ApoG ist die Vereinbarung einer von den teilnehmenden Apotheken an den Dritten zu zahlenden Gebühr von 10% des Nettoverkaufspreises für über eine solche digitale Marktplatzinfrastruktur verkaufte nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel untersagt. Die während der Vertragsdauer eingeräumte schuldrechtliche Nutzungsbefugnis einer digitalen Marktplatzinfrastruktur ist ein "sonst überlassener Vermögenswert" nach § 8 Satz 2 ApoG.

§ 11 Apothekengesetz (ApoG) beinhaltet das Verbot, Rechtsgeschäfte und Absprachen mit anderen Personen oder Institutionen des Gesundheitswesens vorzunehmen, die
•    eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel (Alternative 1),
•    eine Zuführung von Patienten (Alternative 2),
•    eine Zuweisung von Verschreibungen (Alternative 3) oder
•    eine Abgabe von Arzneimitteln ohne volle Angabe der Zusammensetzung (Alternative 4)
zur Folge haben oder haben können.
Der auf 20. Oktober 2020 neu gefasste § 11 des Apothekengesetzes (ApoG) befasst sich mit Apothekenplattformen und ihren rechtlichen Grenzen. Diese Plattformen, die Verbraucher und Apotheken zusammenbringen, müssen sich an verschiedene Vorschriften halten. Dazu gehören das Heilmittelwerberecht, das Berufsrecht der Ärzte und Apotheker, das Arzneimittelpreisrecht sowie das Strafrecht.
Das Makelverbot: wurde in § 11 Absatz 1a ApoG im Zusammenhang mit der Einführung des E-Rezepts eingeführt. Es verbietet Rechtsgeschäfte oder Absprachen, die die Zuweisung von Verschreibungen in elektronischer Form oder von elektronischen Zugangsdaten zu Verschreibungen in elektronischer Form zum Gegenstand haben.
Dies gilt auch für elektronische Verschreibungen und Zugangsdaten zu solchen Verschreibungen.
Das erweiterte Makelverbot erfasst auch den E-Rezept-Token. Dieser Token wird für den Zugriff auf Verordnungsdaten und die Einlösung von E-Rezepten benötigt
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Regelungen auch für Apotheken gelten, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum liegen und Patienten in Deutschland mit Arzneimitteln versorgen.
Darüber hinaus ist es für Dritte unzulässig, Verschreibungen zu sammeln, an Apotheken zu vermitteln oder weiterzuleiten und dafür einen Vorteil zu fordern oder anzunehmen.
Schließlich wurde ein Vorbehalt aufgenommen, wonach das Abspracheverbot dann nicht greift, soweit gesetzlich etwas anderes bestimmt ist.
Das sog. „Verbot des Rezeptmakelns“ nach § 11 Abs. 1a ApoG steht dem Bereitstellen einer digitalen Infrastruktur, über die teilnehmende Apotheken gegen eine monatliche Grundgebühr (auch) rezeptpflichtige Arzneimittel an Kunden verkaufen können, wenn das (E-)Rezept vom Kunden unter der Nutzung der durch den Dritten bereitgestellten digitalen Infrastruktur an die von ihm gewählte jeweilige Apotheke gesendet werden kann, nicht generell entgegen, sondern nur dann, wenn provisionsähnliche Vergütungen oder Gewinnbeteiligungen vereinbart werden.
So steht das sog. „Verbot der Absprache bzw. Zuweisung“ nach § 11 Abs. 1 ApoG z.B. der Schaffung einer Infrastruktur zur Ermöglichung einer Homecare-Versorgung ebensowenig entgegen, weil nicht eine entsprechende Patientenversorgung verboten werden soll, sondern kollusives Zusammenwirken von Leistungserbringern, die aus Gründen der Gewinnmaximierung zu Lasten Dritter, in der Regel der Krankenkasse, tätig werden.
Es gelten mehr oder weniger die gleichen Grundsätze wie bei der Schaffung einer digitalen Infrastruktur.
Die Regelungen über die freie Apothekenwahl, das Zuweisungsverbot und das Makelverbot können nur dann greifen können, wenn der Schutzbereich überhaupt eröffnet ist. Daran fehlt es, wenn die Übermittlung auf ausdrücklichen und unbeeinflussten Wunsch des Patienten erfolgt und zwischen demjenigen, der sich vom Patienten die Einwilligung einholt, keinerlei Verbindungen zu demjenigen besteht, bei dem die Verschreibung dann eingelöst wird.
Demzufolge verlangt ein Verstoß nach § 11 ApoG eine – wenn auch nur durch schlüssiges Verhalten zustandegekommene - Unrechtsvereinbarung zwischen den Beteiligten. Wenn es lediglich um die Nachhaltigkeit und Effizienz der Patientenversorgung geht und die finanziellen Fragen transparent und für Außenstehende nachvollziehbar, gibt es mit Kooperationsvereinbarungen keine ernsthaften Probleme.

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