Wissenswertes aus dem Gesundheitswesen: Nachrichten, Hintergründe, Interviews und mehr...
Branchenrelevante Informationen regelmäßig in Ihrem Postfach
Am 05.07.2024 hat der Bundesrat der Medizinprodukte-Betreiberverordnung laut Bundesratsdrucksache Nr. 251/24 vom 23.05.2023 mit den Änderungen in Bundesratsdrucksache Nr. 251/24 (Beschluss) vom 05.07.2024 rechtsverbindlich zugestimmt. Nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten wird die Neuregelung in Kraft treten.
In der Bundesratsdrucksache steht dazu:1
„Mit dieser Verordnung wird die MPBetreibV neu gefasst. Wesentliche Änderungen sind die Erweiterung der Anwendungsbereiche…Darüber hinaus soll der Dokumentations- und Prüfaufwand bei risikoarmen, durch die Krankenkassen bereitgestellten Produkten reduziert werden. Für Produkte in Form einer Software mit erhöhtem Risikopotenzial werden Prüfvorgaben eingeführt.“
Folgende Neuerungen sind unter anderem zu beachten:
1. Der Anwendungsbereich wird auf die in Anhang XVI der Verordnung (EU) 2017/745 aufgeführten und unter den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallenden Produkte sowie In-vitro-Diagnostika und ihr Zubehör erweitert.
2. Der Betreiberbegriff ist neu definiert. Nach den neuen Absätzen 2 bis 4 des § 3 MPBetreibV hat der Versorgende, der dem Patienten ein Medizinprodukt bereitstellt, die Pflichten des Betreibers wahrzunehmen, auch wenn das Medizinprodukt in das Eigentum des Patienten übergeht. Der Versorgende ist nach § 2 Abs. 5 MPBetreibV neu, wer aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Patienten Produkte bereitzustellen hat. Das ist in der Regel die Apotheke und/oder das Sanitätshaus. Dort ist also das Medizinproduktebuch und das Bestandsverzeichnis zu führen. Vom Versorgenden sind die Anforderungen nach der MPBetreibV und die Einweisungspflichten zu erfüllen. In § 3 Absatz 5 MPBetreibV 2024 steht klarstellend: Die Absätze 2 bis 4 gelten auch, wenn Produkte vom Patienten in eine Gesundheitseinrichtung mitgenommen und dort von ihm oder im Rahmen einer vereinzelten Hilfestellung durch den Benutzer (neuer Begriff für Anwender, vgl. § 2 Abs. 3 MPBetreibV neu) betrieben und angewendet werden. Daraus ergibt sich, dass Krankenhäuser bei patienteneigenen MP weder Medizinproduktebuch noch Bestandsverzeichnis anlegen müssen. Auch sonst gelten keine medizinprodukterechtlichen Pflichten. Die Klinik muss den Einsatz im Rahmen eines allgemeinen Risikomanagement aufgrund den totalen Behandlungsvertrages sicherstellen.
3. Der Begriff Anwender wird durch den neuen Begriff Benutzer ersetzt, weil der Anwender in der Verordnung (EU) 2017/745 definiert ist. Nach deren Artikel 2 Nr. 37 bezeichnet „Anwender“ jeden Angehörigen der Gesundheitsberufe oder Laien, der ein Medizinprodukt anwendet – eigentlich eine Tautologie.
4. § 4 Absatz 1 MPBetreibV wird nicht ersatzlos gestrichen. Die Einwände der Fachleute wurden berücksichtigt. Off-Label-Use ist also in der Regel nicht zulässig. Es kommt weiterhin auf die Zweckbestimmung des Produkts an. Die Fachkompetenz der Medizintechnik wird in der Arbeitsorganisation also nicht in Frage gestellt.
5. Beim Einweisungsmanagement nach § 4 Abs. 3 MPBetreibV ist nunmehr geregelt, dass dies auch für Software gilt, und zwar auch nach jeder Installation von Softwareaktualisierungen, die die Handhabung der Software nicht nur geringfügig ändern.
6. Im Übrigen wird in § 4 Absatz 3, MPBetreibV klargestellt, dass eine Einweisung nicht erforderlich ist, wenn für das Produkt eine Gebrauchsanweisung nach der Verordnung (EU) 2017/745 oder (EU) 2017/746 entbehrlich ist oder eine Einweisung bereits in ein baugleiches Produkt erfolgt ist.
Der Begriff „selbstklärend“ wird damit konkretisiert.
7. Weiterhin wird im neuen letzten Satz in § 4 Absatz 3 MPBetreibV festgelegt, dass die Einweisung in die ordnungsgemäße Handhabung aktiver nichtimplantierbarer Produkte dann nicht dokumentiert werden muss, wenn diese Produkte aufgrund einer Veranlassung des Versorgenden durch einen Dritten bereitgestellt werden.
In der Regierungsbegründung steht dazu:
„Die Vorgabe, dass die Einweisung für alle aktiven nicht implantierbaren Produkte zu dokumentieren ist, stellt im Bereich der Versorgung mit Hilfsmitteln, die auf Veranlassung der Krankenkasse, Pflegekasse oder privater Krankenversicherungsunternehmen durch einen Dritten bereitgestellt werden, einen erheblichen Bürokratieaufwand dar. Die Patientensicherheit wird durch das Aufheben der Vorgabe nicht verschlechtert, da die diesem Zwecke dienende Einweisung weiterhin erforderlich bleibt.“
8. In Absatz 6 des § 4 MPBetreibV wird ein neuer Satz angefügt:
„Für vernetzte Produkte sind bei der Verbindung mit einem Netzwerk die Anforderungen des Herstellers hinsichtlich der digitalen Infrastruktur in Bezug auf die Informationssicherheit seiner Produkte zu beachten.“
In der Bundesratsdrucksache Nr. 251/24 (Beschluss) vom 05.07.2024, S. 3 wird dazu ausgeführt:
„Die Ermächtigungsgrundlage gemäß § 88 Absatz 1 Nummer 6 Buchstabe a und b Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) erstreckt sich auf das Errichten, Betreiben, Anwenden und Instandhalten von Produkten beziehungsweise die ordnungsgemäße Installation, das Betreiben und Anwenden von Software, soweit dies für das sichere Betreiben und das sichere Anwenden notwendig ist. Das heißt sie umfasst die Aspekte, die sich auf das Produkt beziehen. Sie erstreckt sich auf die IT-Sicherheit der digitalen Infrastruktur (IT-Netzwerke) nur insoweit, wie sie zum sicheren Betrieb des Produktes erforderlich sind, nicht jedoch auf die allgemeine Sicherheit des IT-Betriebs an sich (zum Beispiel Aktualität des Betriebssystems, Aktualität des Virenscanners, Sicherheit von Netzwerkkomponenten, Zugangsbeschränkungen für IT-Nutzer, et cetera). Daher sind die Verpflichtungen des Benutzers auf die Anforderungen des Schutzes der Informationssicherheit des Produktes einzuschränken, wie sie vom Hersteller des Produktes gefordert werden. Im Übrigen greifen die Regelungen des § 17 MPBetreibV zu IT-Sicherheitsüberprüfungen.“
9. In § 6 Absatz 1 MPBetreibV wird für Klinikverbünde und Unternehmen mit mehr als einem Standort klargestellt, dass jede Einzeleinrichtung mit mehr als 20 Beschäftigten einen Beauftragten für Medizinproduktesicherheit bestimmen muss, wobei in der Regierungsbegründung zum Referentenentwurf darauf hingewiesen wird, dass in einem begrenzten Rahmen die Mehrfachbenennung einer Person für verschiedene Standorte denkbar ist, soweit die regelmäßige Präsenz der Person in den Gesundheitseinrichtungen sichergestellt werden kann.
10. Bei der Neufassung des § 7 MPBetreibV wird für Software klargestellt, dass ihre Instandhaltung auch die Installation verfügbarer Softwareupdates umfasst, wie Fehlerbehebung, Sicherheitspatches, Verbesserung der Gebrauchstauglichkeit oder der Betriebseffizienz So soll Sicherheit beim Einsatz von Software und vernetzter Produkte gewährleistet werden. Im Übrigen wird klargestellt, dass sich die Instandhaltung auch auf miteinander verbundene Produkte und mit dem Produkt verbundene Gegenstände erstreckt, zudem handelt es sich um Folgeänderungen aufgrund der Änderungen in § 1 Absatz 1 sowie § 2 Absatz 2.
11. Mit der Überführung der Absätze 4, 5 und 6 des § 8 MPbetreibV alte Fassung in einen neuen § 9 ist nunmehr in § 8 nur die Aufbereitung von wiederverwendbaren Produkten geregelt.
12. Messtechnische Kontrollen müssen nicht mehr für Messgeräte zur nichtinvasiven Blutdruckmessung, die der Hersteller für die Anwendung durch Laien vorsieht und die aufgrund einer Veranlassung des Versorgenden durch einen Dritten einem Patienten bereitgestellt werden, durchgeführt werden.
In der Regierungsbegründung steht dazu:
„Blutdruckmessgeräte, die der Hersteller für die Anwendung durch Laien vorsieht, werden im Jahr tausendfach durch die betroffenen Personen an Patienten abgegeben. Der Kostenfaktor einer messtechnischen Kontrolle ist im Verhältnis zum Anschaffungswert eines neuen Blutdruckmessgeräts unverhältnismäßig hoch. Die betroffenen Unternehmen sahen sich daher dazu gezwungen, die Blutdruckmessgeräte alle 2 Jahre auszutauschen. Dies ist aus Gründen der Nachhaltigkeit unverhältnismäßig.“
13. Die Schaffung eines neuen § 17 unter der Überschrift „Besondere Pflichten bei bestimmter Software“ soll dazu dienen, dem besonderen Risikopotential der benannten Produkte zu begegnen.
In der Regierungsbegründung wird ausgeführt, dass einbezogen sind „solche Produkte in Form einer Software, die im Falle einer Fehlfunktion den Tod oder eine irreversible Verschlechterung des Gesundheitszustands einer Person oder aber eine schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands einer Person oder einen chirurgischen Eingriff verursachen können sowie Software, die für die Kontrolle von vitalen physiologischen Parametern bestimmt ist, wobei die Art der Änderung dieser Parameter zu einer unmittelbaren Gefahr für den Patienten führen könnte. Angesichts dieser mit der Nutzung einer derartigen Software verbundenen Risiken muss deren störungsfreie Funktionsfähigkeit sowie korrekte Bedienung möglichst weitgehend gewährleistet sein. Die Anforderungen gilt nicht für Software, die selbst kein Produkt ist (z. B. Steuerungssoftware als fester Bestandteil eines anderen Medizinproduktes).“
14. In Anlage 1 (zu § 11 Absatz 1 und 2, § 12 Absatz 1 und § 13 Absatz 1) werden unter 1.5 Schlafapnoe-Therapiegeräte ausdrücklich ausgenommen werden.
In der Regierungsbegründung steht dazu:
„Im Gegensatz zu Beatmungsgeräten, welche zur Behandlung der ventilatorischen Insuffizienz eingesetzt werden, da je nach Ausprägung der ventilatorischen Insuffizienz der Ausfall des Beatmungsgerätes unmittelbar oder mit einer zeitlichen Latenz zu einer lebensbedrohlichen Hypoventilation führen kann, ist das Risikopotenzial von Schlafapnoe-Therapiegeräte, die nur zur Behandlung von schlafbezogenen Atmungsstörungen konzipiert sind, deutlich geringer. Schlafapnoe-Therapiegeräte werden nur bei Patienten angewendet, die eine dauerhaft ausreichende Spontanatmungsfähigkeit haben und keine Beatmungsunterstützung benötigen. Der applizierte positive Atemwegsdruck wird in der Regel zum Offenhalten der oberen Atemwege genutzt, nicht zur Ventilationsunterstützung. Ein technischer Ausfall dieser Geräte führt daher zu keiner lebensbedrohlichen Ventilationsfunktionsstörung. Das geringe Risikopotenzial rechtfertigt eine Ausnahme von Anlage 1.“
Fazit: Auf die mit der Instandhaltung, Einweisung und in sonstiger Weise befassten Personen in Gesundheitseinrichtungen kommt viel Arbeit zu.
1 BR Drs. 251/24, S. 2