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Wer mit einem innovativen Geschäftsmodell im Gesundheitsmarkt durchstarten will, kann starke Partner gut gebrauchen. Insbesondere sind Kooperationen mit Krankenkassen oft essentiell. Diese zehnteilige Beitragsreihe gibt nützliche Hinweise rund um die Entwicklung kooperationstauglicher Geschäftsmodelle in der GKV – zielführend, praxisorientiert und aus erster Hand.
Im zweiten Teil unserer Beitragsreihe wenden wir uns dem ersten Puzzlestück bei der Entwicklung eines Geschäftsmodells zu und steigen damit auf der linken oberen Seite unseres Health Innovation Canvas (HIC) ein. Wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch, verfolgen Innovatoren im Gesundheitswesen das Ziel, bestimmte Probleme zu lösen. In unserem Kontext sprechen wir von Versorgungsproblemen.
Was ist ein Versorgungsproblem?
Ein Versorgungsproblem existiert immer dann, wenn Leistungen der Gesundheitsversorgung nicht in der best möglichen Qualität oder in ausreichender Quantität zur Verfügung stehen oder wenn diese nicht ressourceneffizient erbracht werden. Um dies im jeweiligen Einzelfall beurteilen zu können, ist es zunächst nötig, sich einen Überblick über den Status quo der Versorgungsrealität bzw. die im Versorgungsalltag gelebten Routinen zu verschaffen. Etwa werden die tatsächlich eingesetzten Technologien, die Rolle der beteiligten Leistungserbringer und Kostenträger sowie die regulatorischen Rahmenbedingungen betrachtet. Ein Beispiel aus unserem Buch: Ein Technologieanbieter vermarktet eine Smartphone-basierte Versorgungslösung zur unkomplizierten frühzeitigen Identifizierung behandlungsbedürftiger Herzrhythmusstörungen, die als Hauptrisikofaktor für Schlaganfälle gelten. Bislang besteht das Problem, dass ein sogenanntes Vorhofflimmern oft nicht rechtzeitig erkannt wird. Die Regelversorgung sieht im Verdachtsfall ein eintägiges Langzeit-EKG vor. Der Aufzeichnungszeitraum ist in einigen Fällen jedoch zu kurz und die Messmethodik zu aufwendig für groß angelegte Screenings, sodass Herzrhythmusstörungen oftmals erst durch einen Schlaganfall in Erscheinung treten. Die für ein Vorhofflimmern typischen Herzrhythmusstörungen werden im Status quo der Versorgung somit oft nicht rechtzeitig erkannt und führen zu vermeidbaren Schlaganfällen. Für die Betroffenen ergeben sich daraus unmittelbare gesundheitliche Nachteile. Für die Versichertengemeinschaft bzw. die Krankenkassen ergeben sich Kostenprobleme aufgrund kostenintensiver Schlaganfälle: unmittelbare Behandlungskosten, Rehabilitationskosten, Folgekosten etwaiger hiermit assoziierter Behinderungen.
Wir sprechen hier von einer Versorgungslücke und können wie folgt generalisieren: der Status quo der Versorgung weist oftmals Unvollkommenheiten beziehungsweise – um ein positiveres Framing zu nutzen – Optimierungspotenziale auf. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Informations- und Kommunikationsdefizite, unzureichende oder am Bedarf vorbeigehende Versorgungsleistungen, einen unnötig hohen Ressourcenverbrauch und damit unnötig hohe Kosten oder gar fehlende Versorgungsangebote, die eigentlich notwendig wären. Im Ergebnis resultieren hieraus unzureichende Outcomes. Es sind damit die typischen Verdächtigen der Unter-, Über- oder Fehlversorgung, die es zu identifizieren gilt. Mit einer exakten Problembeschreibung kristallisiert sich häufig bereits ein sinnvoller Lösungsansatz heraus. Oftmals handelt es sich um Verbesserungen im Versorgungsprozess, etwa durch den Einsatz innovativer Technologien oder die Anpassung von Rollenverteilungen der an der Versorgung beteiligten Akteure. Im beschriebenen Beispiel ist es eine Kombination aus beidem: beteiligte Krankenkassen kommen in eine aktive Rolle und informieren Risikopatienten über das innovative Versorgungsangebot. Der Technologieanbieter – Preventicus – stellt das Smartphone-basierte VHF-Screening bereit und verifiziert auffällige Messergebnisse durch ein angeschlossenes telemedizinisches Zentrum. Bestätigt sich der Verdacht, werden Patienten an einen teilnehmenden Kardiologen vermittelt, der ein verlängertes Langzeit-EKG über bis zu 14-Tage aufzeichnet, gegebenenfalls die Diagnose stellt und die Behandlung, in aller Regel mit blutverdünnenden Medikamenten, einleitet. Für alle Beteiligten wurde das Versorgungsproblem gelöst.
Quelle: „Innovating Healthcare –- Wie Start-ups gemeinsam mit Krankenkassen im Gesundheitsmarkt durchstarten“
Ausblick
Im skizzierten Beispiel liegt die Ursache des Versorgungsproblems in der bisweilen unzureichenden Regelversorgung, die oft nicht in der Lage ist, ein Vorhofflimmern rechtzeitig zu diagnostizieren und zu therapieren, da sie kein breitenwirksames Screening vorsieht. Hieraus resultieren Nachteile für Patienten, Behandler und die Versichertengemeinschaft. Wenn die Regelversorgung, wie hier, derart fundamentale Verbesserungspotenziale aufweist, bietet sich eine selektivvertragliche Weiterentwicklung an. Der nächste Schritt in der Geschäftsmodellentwicklung besteht nun darin, eine passende Versorgungslösung für das Versorgungsproblem zu definieren und darzulegen, wie das Versorgungsproblem konkret gelöst werden soll. Das und mehr viertiefen wir in der nächsten Ausgabe.
Dr. Florian Brandt (links) und Dr. Elmar Waldschmitt (rechts)
Autoren des Buches „Innovating Healthcare – Wie Start-ups gemeinsam mit Krankenkassen im Gesundheitsmarkt durchstarten“ und Mitinitiatoren des Healthy Hub.
Weitere Informationen zum Werk "Innovating Healthcare – Wie Start-ups gemeinsam mit Krankenkassen im Gesundheitsmarkt durchstarten" finden Sie hier.
Dies ist Beitrag 2 der Beitragsreihe "Innovating Healthcare". Der nächste Beitrag erscheint im medhochzwei Newsletter 15-2024 am 18.09.2024. Jetzt abonieren und keinen Beitrag verpassen! Alle bereits veröffentlichten Beiträge der Reihe finden Sie hier.