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Nachdem der Gesundheitsausschuss am 16.10. den Entwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) mit zahlreichen Detailänderungen mehrheitlich gebilligt hatte, wurde das Gesetz am 17.10. in 2./3. Lesung nach einer scharf geführten Debatte vom Bundestag beschlossen. In der namentlichen Abstimmung stimmten 373 Abgeordnete für den Gesetzentwurf, 285 stimmten dagegen, es gab eine Enthaltung. Die Opposition hatte angekündigt, gegen die Novelle zu stimmen. In der Schlussberatung sprachen Redner der Opposition von einer unzureichenden Reform mit großen Risiken und ungeklärten Fragen. Der Gesundheitsausschuss hatte zur Abstimmung eine Beschlussempfehlung und der Haushaltsausschuss einen Bericht gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit abgegeben. In der nächsten regulären Sitzung des Bundesrats am 22. November soll das KHVVG auf der Tagesordnung stehen – und es könnte an einen Vermittlungsausschuss verwiesen werden, so die Hoffnung und Erwartung vieler von der Reform Betroffener. Der Entwurf der Tagesordnung für die Sitzung wird am 5. November vorliegen.
Die vom Bundestag angenommene Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses zum KHVVG umfasste die in der Sitzung am Vortag eingebrachten 50 Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen, die sich vielfach mit der technischen Umsetzung der Reform befassen. Diese sind nun in das Gesetz eingeflossen. Bei der Sitzung des Gesundheitsausschusses hatte Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) nochmals technische Details unter anderem zu den geplanten Leistungsgruppen und der künftigen Krankenhauslandschaft erläutert. Dabei räumte er auf Nachfrage auch ein, dass das Tool zur Auswirkungsanalyse, dessen Fertigstellungstermin immer wieder verschoben wurde, bereits vorliegt und den Mitgliedern der Ampelfraktionen mit dem Tool erstellte Simulationen gezeigt wurden. Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hatte eine entsprechende Frage gestellt und nannte das Vorgehen Lauterbachs einen „Schlag ins Gesicht der Bundesländer, die in den letzten Monaten konstruktiv verhandelt haben und seit Monaten auf die Auswirkungsanalyse warten.“ Auch in der Woche nach der Verabschiedung im Bundestag liegt die versprochene Auswirkungsanalyse noch nicht vor.
Bei den am Entwurf vorgenommenen Änderungen geht es unter anderem um eine künftige ärztliche Personalbemessung im Krankenhaus, die Einbindung von Bundeswehrkrankenhäusern in die Versorgung, Qualitätsanforderungen für hebammengeleitete Kreißsäle in Krankenhäusern, die Streichung der Stichprobenprüfung und eine Entbürokratisierung der Einzelfallprüfung bei der Krankenhausabrechnung, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Transformationsfonds einschließlich einer Beteiligung der Privaten Krankenversicherung (PKV) und die geplante Evaluation des Gesetzes.
DKG: Entwurf darf so nicht umgesetzt werden
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) übte am Tag der Billigung im Gesundheitsausschuss weiter Kritik an der Ausgestaltung der Krankenhausreform und am Gesetzgebungsverfahren. Der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß sagte: „Eine Krankenhausreform ist längst überfällig, die Krankenhäuser wollen und benötigen sie. Aber so, wie der Entwurf jetzt ist, darf er nicht umgesetzt werden. An den wesentlichen Kritikpunkten hat sich in den vergangenen Monaten und Jahren praktisch nichts getan. Die Änderungsvorschläge der Länder haben kaum Aufnahme in den Gesetzentwurf gefunden und nun wurden eine Woche vor der finalen Abstimmung noch über 100 Seiten an kleinteiligen Änderungsanträgen mit zum Teil bisher völlig unbekannten Sachverhalten nachgeschoben.“
Um das Gesetz auch durch den Bundesrat zu drücken, würden die Koalitionäre den Ländern damit drohen, dass die finanziellen Verbesserungen für Krankenhäuser nicht kommen würden, wenn sie die Reform nicht eins zu eins im Bundesrat durchwinken, so Gaß. Diese Drohkulisse funktioniere aber nicht, denn den marginalen finanziellen Verbesserungen stünden massive Erlösverluste und Mehrkosten für die Krankenhäuser gegenüber. Der Gesetzentwurf selbst bilanziere Einsparungen durch Minderausgaben für die Krankenhäuser in Milliardenhöhe.
DLT: KHVVG ist eine „Black Box“
Nach der Entscheidung im Bundestag hat der Deutsche Landkreistag (DLT) die Länder erneut aufgefordert, den Entwurf am 22.11.2024 im Bundesrat abzulehnen und den Vermittlungsausschuss anzurufen. DLT-Präsident Landrat Dr. Achim Brötel sagte: „Die Reform ist eine Black Box, es gibt nach wie vor keine Auswirkungsanalyse. Deshalb sind wir fassungslos, dass der Bundestag auf einer derart unsicheren Sachgrundlage überhaupt einen Beschluss gefasst hat.“ Auch dürften die Länder dem Gesetzentwurf im Bundesrat ohne einen auch rückwirkenden Tarif- und Inflationsausgleich nicht zustimmen: „In den letzten zwei Jahren mussten bereits 48 Kliniken Insolvenz anmelden. Weitere werden jetzt mit Sicherheit folgen. Und: Es trifft wieder einmal in erster Linie den ländlichen Raum. Das darf der Bund nicht einfach ignorieren!“
Die entscheidende Frage sei, was die vorgeschlagenen Maßnahmen konkret für die Landkreise und ihre Krankenhäuser bedeuten würden. „Wer reinen Gewissens ist, hätte den Grouper doch jederzeit vorher veröffentlichen können. Auch das ist der Bund aber nach wie vor schuldig geblieben. Es gibt keine Analyse, was aber für ein so gewichtiges Reformvorhaben selbstverständlich sein sollte.“ An den wesentlichen Kritikpunkten der kommunalen Ebene habe sich in den vergangenen Monaten und Jahren nichts geändert. „Die Änderungsvorschläge der Länder sind nur marginal in den Gesetzentwurf aufgenommen worden“, so Brötel.
Außerdem, so der DLT-Präsident, habe der Bund nach wie vor keine wirksamen Maßnahmen gegen die Finanznot der Krankenhäuser angeboten. „Es geht um die Defizite, die seit 2022 aufgelaufen sind. Da hilft es wenig, wenn die Bundesregierung Hilfe lediglich für das laufende Jahr in Aussicht stellt.“ Das Finanzierungsangebot an die Krankenhäuser decke nur kleine Teile der seit Jahren aufgelaufenen Finanzierungslücken ab. „Grundlage für leistungsfähige Krankenhäuser ist aber ganz klar eine auskömmliche Betriebskostenfinanzierung durch die Krankenkassen.“
VKD: Kritik wurde weitgehend ignoriert
Auch der Vorstand des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) zeigte sich enttäuscht, wenn auch wenig überrascht von dem Bundestagsbeschluss. „Wenngleich wir einige der vorgesehenen Änderungen im ersten Überblick durchaus als sinnvoll bewerten“, so der VKD-Vorstand, „sehen wir andere vor allem in der aktuellen wirtschaftlichen Situation der Krankenhäuser deutlich kritischer. Ein Beispiel ist die vorgesehene erhebliche Ausweitung der ambulanten Fälle und der Hybrid-DRG-Fälle. Hier hat unser Verband bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass es dafür struktureller und baulicher Voraussetzungen bedarf, die derzeit meist erst aufgebaut – und natürlich finanziert – werden müssten.“
Die Kritik aus den Bundesländern und den Krankenhäusern, auch aus dem VKD, sei dagegen im Wesentlichen von Beginn an ignoriert worden, so die Vorstandsmitglieder. Immer wieder habe der VKD darauf verwiesen, dass die nun einzuführende Vorhaltefinanzierung ihr Ziel – die Stabilisierung vor allem der Grundversorgungskrankenhäuser in der Fläche sowie die Förderung hochspezialisierter Behandlungen in Zentren – weitestgehend verfehlen werde. Es sei nicht nur ein überkomplexes, bürokratisches Konstrukt, sondern führe die Abrechnung nach Fallpauschalen, wenn auch in etwas verkürzter Form, fort und setze auf dem bisher schon unzureichenden Finanzierungsvolumen auf, das lediglich umverteilt werde. Hier bestehe in der Umsetzung nun die Gefahr erheblicher Wartelisten für die Patienten. Von der versprochenen „Entökonomisierung“ könne keine Rede sein.
Der VKD-Vorstand bekräftigte auch sein Unverständnis mit Blick auf die fehlende Zustimmungspflichtigkeit des Bundesrates für das KHVVG. Man baue darauf, dass die Länderkammer als letzte Instanz und mit Blick auf eine zukunftssichere Versorgung in ihrer Sitzung am 22. November geschlossen den Vermittlungsausschuss anrufen werde, um die wesentlichen Kritikpunkte zu entschärfen und so die Reform noch zu einem halbwegs guten Ende zu führen – denn man brauche sie. Mut habe die Rede von Karl-Josef Laumann (CDU), Minister für Arbeit, Gesundheit, Soziales in Nordrhein-Westfalen, vor dem Bundestag gemacht, der erklärte, das Gesetz müsse überarbeitet werden. Er wolle die Reform nicht stoppen, aber es müsse dezidiert darüber gesprochen werden, an welchen Punkten Veränderungen notwendig seien. Aktuell sieht es so aus, dass wenigstens sieben Bundesländer einen Vermittlungsausschuss anstreben – es bleibt abzuwarten, was sich in der Zeit bis zur Sitzung noch tut.
Es muss auch um Versorgungssicherheit gehen
Auch der dbb Beamtenbund kritisierte den Bundestagsbeschluss. „Es darf hier nicht nur ums Geld gehen, sondern auch um die Versorgungssicherheit in der Fläche – und da haben wir nach wie vor starke Bauchschmerzen“, sagte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach nach Verabschiedung des Gesetzes im Parlament.
Positiv bewerte der dbb die Umstellung vom reinen Fallpauschalen-System auf eine Mischung aus Fallpauschalen und Vorhaltefinanzierung. Damit werde eine langjährige dbb-Forderung erfüllt und wirtschaftlicher Druck gerade dort herausgenommen, wo Kapazitäten freigehalten werden müssten, etwa im Bereich der Notfallversorgung oder der Intensivmedizin. „Die künftig vorgesehene Mischung ist aus Sicht des dbb ein guter Kompromiss aus Wirtschaftlichkeitsgebot und Versorgungssicherheit“, so Silberbach. Auch die Einführung der Leistungsgruppen sieht der dbb positiv – „Das ist eindeutig in unserem Sinne“, so Silberbach.
Dennoch greife die Reform tief in die Krankenhauslandschaft ein: „Zentralisierungs- und Konzentrationsprozesse durch Klinikzusammenlegungen verknappen das Versorgungsangebot besonders in bereits jetzt schlecht versorgten Regionen weiter. Spezialisierungen sind richtig und wichtig, um die Behandlungsqualität zu steigern. Dennoch werden festgelegte Qualitätsstandards durch Ausnahmeregelungen wieder aufgeweicht. Das konterkariert aus unserer Sicht die Versorgungssicherheit und führt zu Intransparenz.“ Auch die Beschäftigten in den Kliniken seien von möglichen Zusammenlegungen oder Schließungen ganzer Stationen unmittelbar betroffen. „Wir werden weiterhin deutliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für Beschäftigte der Gesundheitsberufe einfordern. Durch zunehmende Unsicherheiten über den künftigen Arbeitsplatz erweist man einem wirksamen Kampf gegen den Fachkräftemangel in der Pflege allerdings einen Bärendienst“, so der dbb-Bundesvorsitzende.
Fusionskontrolle soll weitgehend ausgesetzt werden
Ein Aspekt, der im Zuge der Änderungsanträge angepasst wurde, ist die Fusionskontrolle für Krankenhäuser – diese soll bis 2030 praktisch ausgesetzt werden. Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, sieht in den verabschiedeten Regelungen die Gefahr einer Aushöhlung der Fusionskontrolle im Krankenhauswesen. Das gerade im beschlossene KHVVG sehe eine Regelung vor, wonach über die Anwendung der Fusionskontrolle im Krankenhauswesen künftig die Krankenhausplanungsbehörden der Länder entscheiden würden. Wenn die Krankenhausplanungsbehörde einen Zusammenschluss zur Verbesserung der Krankenhausversorgung für erforderlich halte, schrieb Mundt auf „LinkedIn“, entfalle – befristet bis 2030 – die Anmeldepflicht beim Bundeskartellamt. Es habe in diesen Fällen keine Möglichkeit mehr, eine im Einzelfall für den Wettbewerb und das Patientenwohl schädliche Konzentration aufzuhalten. Nach 2030 greife dann noch eine weitere Ausnahmeregelung, die an die Förderung durch den neuen Transformationsfonds anknüpfe. Ohne wirksame Fusionskontrolle würden vor Ort Verhältnisse drohen, in denen Patienten keine Wahlmöglichkeit mehr hätten, weil alle Krankenhäuser vor Ort zum selben Träger gehörten, warnte Mundt.
Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 17-2024. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!