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Die wirtschaftliche Lage der deutschen Krankenhäuser ist angespannter als je zuvor. Sie hat sich im Jahr 2023 und nach ersten Schätzungen auch 2024 weiter verschlechtert. 56 Prozent der Kliniken dürften für das vergangene Jahr einen Verlust ausweisen, erstmals wird die durchschnittliche EBITDA-Marge negativ sein. Die Liquiditätsreserven reichen bei der Hälfte der Häuser nur für die anstehenden zwei Wochen oder weniger. Das sind einige der Ergebnisse des neu erschienenen „Krankenhaus Rating Reports 2025“, der den Untertitel „Aufbruch aus dem Tal der Tränen“ trägt. Es zeichnet sich ab, dass dieser Weg für viele Krankenhäuser ein steiniger sein wird, der von manchmal sicher schmerzhaften, aber notwendigen Veränderungen begleitet wird.
Auch die Lage der Sozialversicherung ist extrem angespannt und von einem hohen Defizit in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gezeichnet. Die Sozialabgaben drohen bis zum Jahr 2035 ohne einschneidende Reformen im Gesundheitswesen auf über 50 Prozent zu steigen und würden sich damit weit jenseits der Zumutbarkeit bewegen. Die geplanten Maßnahmen der neuen Bundesregierung gehen zwar in die richtige Richtung. Sie reichen aber aus Sicht der Autoren des Reports nicht aus, um das Gesundheitssystem finanziell nachhaltig zu stabilisieren.
„Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser war noch nie so angespannt“, so Prof. Dr. Boris Augurzky, Gesundheitsökonom und Mitautor des Reports. „Der Koalitionsvertrag bietet zwar erste Ansatzpunkte für Verbesserungen, doch reicht er bei Weitem nicht aus. Wollen wir die Finanzierung des Gesundheitswesens nachhaltig sichern ohne Unternehmen und Bürger zu überfordern, muss die Bundesregierung mutiger sein.“ Die mit dem Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2025 sowie mit der Finanzplanung ab 2026 beschlossenen Darlehen für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die soziale Pflegeversicherung (SPV) reichen aus Sicht vieler Experten bei weitem nicht aus. Auch Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) sieht mit den Darlehen nur eine kurzfristige Abmilderung des Finanzdrucks, wie sie bei der Eröffnung des Hauptstadtkongresses Medizin und Gesundheit (HSK) sagte. „Aber wir werden ihn auf jeden Fall nicht lösen können.“ Die im Haushalt vorgesehenen Darlehen würden eine Brücke bauen, bis nachhaltige Finanzierungsmodelle und wirksame Strukturreformen greifen würden.
Der Report zeigt, dass im Jahr 2023 43 Prozent der Kliniken einen Jahresverlust geschrieben haben – 2020 waren es noch 22 Prozent. Das durchschnittliche Jahresergebnis fiel im Jahr 2023 erstmals unter null auf -0,2 Prozent der Erlöse. Die durchschnittliche Insolvenzgefahr ist auf 1,8 Prozent im Jahr 2023 gestiegen. 16 Prozent der Krankenhäuser fanden sich im roten Bereich mit erhöhter Insolvenzgefahr wieder, 21 Prozent bewegten sich im gelben und 63 Prozent im grünen Bereich. Bereits für 2024 vorliegende Jahresabschlüsse deuten darauf hin, dass sich im Jahr 2024 die Lage weiter verschlechtert hat, 56 Prozent aller Krankenhäuser dürften ein negatives Jahresergebnis ausweisen. Die stationären Fallzahlen sind 2023 um 2,4 Prozent gestiegen– der stärkste Anstieg seit Einführung der DRG im Jahr 2004. Dennoch wird nicht mehr die hohe Fallzahl des Jahres 2019 erreicht. 2024 wuchs die stationäre Fallzahl um 0,8 Prozent. Rechnet man die Hybrid-DRG hinzu, wovon erstmals rund 300.000 erbracht wurden, stieg sie allerdings um 2,5 Prozent.
Es gibt aber auch gute Nachrichten: Die Länder stellten im Jahr 2023 neun Prozent mehr Investitionsfördermittel zur Verfügung, insgesamt fast 3,9 Milliarden Euro. Diese Summe reicht allerdings nach wie vor nicht aus, um die Unternehmenssubstanz der Krankenhäuser zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die Folge ist laut des Reports ein sichtbarer Substanzverzehr, insbesondere in Ostdeutschland. Dortige Häuser nähern sich dem niedrigen Niveau der westdeutschen Krankenhäuser immer weiter an.
Kliniken in privater und freigemeinnütziger Trägerschaft schneiden im Rating deutlich besser ab als öffentlich-rechtliche Häuser. Nur in ärmeren Kreisen stehen die öffentlich-rechtlichen Kliniken genauso gut da wie die freigemeinnützigen. Auch Klinikketten sowie mittelgroße Häuser mit 500 bis 900 Betten zeigen im Vergleich bessere wirtschaftliche Kennzahlen – ebenso hoch spezialisierte Einrichtungen. Unterschiede gibt es auch zwischen den Bundesländern: Die Kliniken in Ostdeutschland stehen insgesamt besser da als die Häuser im Westen. Insbesondere in Bayern und Baden-Württemberg fallen die Bewertungen signifikant ab.
Schaut man auf das Personal, so stieg auch im Jahr 2023 die Zahl der Vollzeitkräfte in Krankenhäusern. Sie nahm um 2,25 Prozent zu. Damit war sie um 6,3 Prozent höher als im Jahr 2019, obgleich die Zahl der stationären Fälle 2023 weit unter ihrem Wert des Jahres 2019 lag. Damit ist die Produktivität deutlich gesunken: Bezogen auf die Fallzahl wurden 2023 fast 16 Prozent mehr Vollzeitkräfte eingesetzt als im Jahr 2019. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten hat sich weiter erhöht. Im ärztlichen Dienst hat er sich in den vergangenen knapp 20 Jahren nahezu verdreifacht – von zwölf Prozent im Jahr 2004 auf 33 Prozent im Jahr 2023. Im vertragsärztlichen Dienst stieg die Teilzeitquote sogar in noch kürzerer Zeit um das Sechsfache. Haben im Jahr 2009 lediglich acht Prozent der Beschäftigten in Teilzeit gearbeitet, waren es im Jahr 2024 48 Prozent.
Die Autoren erwarten, dass vor Scharfschaltung der Vorhaltefinanzierung weiterhin mit einem Anstieg der stationären Fallzahlen zu rechnen ist. Danach dürften dagegen ambulante Angebote im Krankenhaus attraktiver werden, wodurch die stationäre Fallzahl wieder sinken könnte. Gleichzeitig wird eine stärkere Nutzung der Hybrid-DRG erwartet. Trotz sinkender Verbraucherpreisinflation wird die Lohninflation laut der Autoren aller Voraussicht nach hoch bleiben.
In der Projektion unterscheidet der Report zwischen einem Basisszenario und dem Szenario „Koalitionsvertrag“. Das Basisszenario bildet die Maßnahmen des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) sowie den Wegfall der Corona-Hilfen und der Zahlungen aus dem Härtefallfonds ab. Durch die angestoßenen Strukturveränderungen des KHVVG ist mittel- und langfristig mit Effizienzverbesserungen zu rechnen. Die Zahl der Krankenhäuser mit einem Jahresverlust könnte von 56 Prozent im Jahr 2024 auf unter 30 Prozent bis zum Jahr 2030 sinken und danach weiter zurückgehen. Im langjährigen Mittel zwischen 2007 und 2019 lag der Wert bei 25 Prozent.
Das Szenario „Koalitionsvertrag“ berücksichtigt die geplanten Maßnahmen der neuen Bundesregierung. Die Verfasser des Reports gehen in diesem Szenario davon aus, dass Krankenhäuser in den Jahren 2025 und 2026 einmalig Hilfen in Höhe von 2,5 bzw. 1,5 Milliarden Euro erhalten – diese sind inzwischen auch im Bundeshaushalt vorgesehen und sollen ab dem 1. November 2025 für ein Jahr über einen Rechnungsaufschlag in Höhe von 3,45 Prozent für alle somatischen und psychiatrischen Krankenhäuser ausgezahlt werden. Der Anteil der Kliniken mit Jahresverlusten könnte dann auf 23 Prozent im Jahr 2025 und 25 Prozent im Jahr 2026 zurückgehen – Werte, die dem historischen Durchschnitt entsprächen. Da diese Hilfe jedoch im Jahr 2027 ausläuft und wichtige Strukturreformen abgeschwächt würden, dürfte der Anteil der Kliniken mit Jahresverlusten bis zum Jahr 2030 wieder auf etwa 34 Prozent wachsen. Im medhochzwei Krankenhaustalk, der kurz nach der Vorstellung des Reports am Stand des medhochzwei Verlags auf dem Hauptstadtkongress stattfand, sagte Augurzky zu den sogenannten „Soforttransformationskosten“: „das hilft natürlich dann relativ schnell“ – wenn man aber so die Anreize zur Strukturoptimierung reduziere, dann werde hintenraus weniger passieren. Dass Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) sei aus seiner Sicht ein Katalysator für Strukturverbesserungen – diese würden sowieso schon passieren, aber eben langsam. Ob das Gesetz mit den vorgesehenen Anpassungen weiterhin diese Funktion erfülle, dass sei die Frage.
Neben den deutschen Krankenhäusern stecken auch die gesetzliche Krankenversicherung und der Gesundheitsfonds in großen Schwierigkeiten. Beide machten im Jahr 2024 zusammen fast zehn Milliarden Euro Verlust. In der Folge mussten die Beiträge zur GKV deutlich angehoben werden. Weitere Anhebungen sind demnächst zu erwarten. Wenn sich nichts ändert, könnten sich die Sozialabgaben von derzeit 42 Prozent bis zum Jahr 2035 auf über 50 Prozent des Bruttolohns erhöhen. Das würde viele Beschäftigte über die Zumutbarkeit belasten und Unternehmen aus Deutschland vertreiben. Um das zu verhindern und die Versorgung zu sichern, seien grundlegende Reformen dringend erforderlich, so die Autoren des Reports.
Weniger Behandlungen sollten demnach das oberste Ziel sein. Dafür brauche es eine bessere Steuerung der Patienten – etwa durch ein Primärarzt- bzw. Primärversorgungssystem, das durch Leitstellen und die elektronische Patientenakte unterstützt wird. Einfache Fälle sind dann über die Basisversorgung, komplexe Behandlungen hingegen von Spezialisten abzudecken, unnötige Fälle gilt es ganz zu vermeiden.
Insbesondere die Notfallversorgung und der Rettungsdienst brauchen zügig Reformen. So sollte der Rettungsdienst als eigener Bereich ins SGB V aufgenommen und bundesweit nach einem einheitlichen System vergütet werden. Ein Gesetzentwurf zur Notfallreform liegt bereits vor. Zu einem leistungsstarken und kosteneffizienten Gesundheitssystem gehört aber auch mehr Gesundheitskompetenz bei den Bürgern. Künstliche Intelligenz und die elektronische Patientenakte helfen ganz konkret, sich leichter im System zurechtzufinden und bessere Entscheidungen zu treffen. Zudem wäre eine sozial gerechte Eigenbeteiligung der Patienten an den Gesundheitskosten sinnvoll.
Insgesamt braucht das Gesundheitswesen laut der Autoren mehr Gestaltungsfreiheit, damit gute Ideen vor Ort umgesetzt werden können – zum Beispiel Ansätze für mehr Ambulantisierung, bessere Prävention oder den Einsatz von Patientenlotsen. Um neue Konzepte einfacher testen zu können, schlagen die Verfasser „Innovationsräume“ vor. Dort sollen bestehende Regeln ausgesetzt und Neues erprobt werden. Als Beispiel wird das Regionalbudget genannt: Regionen bekommen ein festes Budget und stehen bei der Versorgung im Wettbewerb miteinander. Eine Sonderanalyse im Rating Report zeigt, dass sich besonders manche Regionen in Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg für ein solches Modell eignen würden, da dort wenige Krankenkassen einen hohen Marktanteil auf sich vereinen.
Um die Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung zu überwinden, empfiehlt der Report ein Budgetmodell für Krankheitsbilder sowie eine Öffnung der fachärztlichen Versorgung: Auch Kliniken sollen ambulant behandeln dürfen – über die Zulassung entscheiden unabhängige Stellen. So entsteht ein fairer Wettbewerb zwischen den Sektoren.
Darüber hinaus muss die Rolle der Pflege gestärkt werden. Pflegefachkräfte sollen ebenfalls eigenverantwortlich behandeln dürfen und als eigenständige Leistungserbringer ins Sozialgesetzbuch aufgenommen werden. Dafür brauche es jedoch klare Aufgabenbeschreibungen und ein eigenes Vergütungssystem. Das ursprünglich noch von der vorherigen Koalition auf den Weg gebrachte Pflegekompetenzgesetz ist gerade als fast wortgleicher Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums wieder auf den Weg gebracht worden.
Das im Jahr 2020 eingeführte Pflegebudget hat – wie bei Selbstkostendeckung zu erwarten – zu einem enormen Kostenwachstum von über 50 Prozent bis zum Jahr 2024 geführt. Das politische Ziel, die Menge der Pflegefachkräfte im Krankenhaus sowie deren Lohnniveau anzuheben, wurde erreicht. Es könne daher wieder in die DRG und die Vorhaltefinanzierung auf dem heutigen Niveau eingegliedert werden, so Augurzky. Das sei wichtig, um die Krankenkassen zu entlasten und die Versorgungseffizienz zu erhöhen.
Zur besseren Vorbereitung auf Krisen fordert der Report ein Gesundheitssicherstellungsgesetz. Es soll im Verteidigungsfall die Koordination der Verwundetenversorgung in die Hände des Sanitätsdienstes der Bundeswehr legen. Außerdem müsse geprüft werden, welche Krankenhäuser unterirdische Behandlungsoptionen einrichten können – nach dem Vorbild Israels oder Skandinaviens. Zusätzlich seien bessere Schutzmechanismen gegen Cyberangriffe und Sabotage notwendig.
Das Bauen dauert in Deutschland viel zu lange, kritisieren die Verfasser – von der Beantragung bis zur Fertigstellung würden schnell zehn Jahre vergehen. Doch In dieser Zeit müssen alte Standorte weitergeführt werden. Die Personalsuche wird dadurch sicher nicht einfacher und die Qualität der Versorgung eher schlechter als besser.
Um die für den Umbau der Kliniklandschaft mit dem Transformationsfonds bereitstehenden 50 Milliarden Euro gut einzusetzen, brauche es ein Beschleunigungsgesetz – ähnlich wie beim Bau der LNG-Terminals. Baugenehmigungen sollten bundesweit gelten, Bauordnungen vereinheitlicht und Anträge digital abgewickelt werden. Wird über einen Antrag nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden, soll er automatisch als genehmigt gelten (Genehmigungsfiktion). Zudem wäre es sinnvoll, Fördermittel pauschal zu vergeben, um die Antragsbürokratie zu verringern.
Die neue Regierungskoalition hat mit dem Koalitionsvertrag vom April 2025 erste Reformschritte angekündigt – etwa die Einführung eines Primärarztsystems und eine Reform der Notfallversorgung. Die Verfasser des Reports sehen diese Ansätze als begrüßenswert an; sie werden aber nicht reichen. Eine sozial abgefederte Eigenbeteiligung der Patienten fehlt ebenso wie Maßnahmen zur Steigerung des Erwerbsvolumens über eine längere Lebensarbeitszeit. Auch beim Thema Bürokratieabbau formuliert der Koalitionsvertrag nur vage.
Einige Vorhaben der neuen Bundesregierung sehen die Verfasser als sinnvoll an. Sie reichen aber nicht, um den Anstieg der Sozialabgaben zu stoppen. Die Hauptverantwortung liegt bei einer Expertenkommission, deren Vorschläge im Jahr 2027 vorliegen sollen. Es muss jedoch dringend früher gehandelt werden.
Datengrundlage der einundzwanzigsten Ausgabe des „Krankenhaus Rating Reports“ ist eine Stichprobe von 442 Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2023 sowie eine Sonderauswertung von 124 geprüften Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2024, die in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Solidaris entstand. Der Report wurde gemeinsam vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit der Bank im Bistum Essen (BIB) erstellt.
Mehr zum Krankenhaus Rating Report 2025 hier.
Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 11/2025. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!