Deutschland hat gewählt und was vor Monaten noch nicht für möglich gehalten wurde: Die SPD hat enorm aufgeholt. Ihr Spitzenkandidat Olaf Scholz ist in Wählermeinung mit viel Vorschusslorbeeren ausgestattet worden. Noch sind die Wahlgewinnerparteien in Sondierungsgesprächen. Es sollte mich wundern, wenn es nicht auf eine Ampelkoalition zulaufen wird, zumal sich Grüne und FDP als Dritte und Vierte im möglichen Koalitionsbund offenbar schneller nähergekommen sind als angenommen. Was das für die Zukunft der Gesundheitspolitik bedeutet, kann noch nicht so recht ausgemacht werden.
Das umfassendste Programm zu Gesundheit liegt von den Grünen schon seit dem letzten Jahr vor. Auffällig ist auch, dass zahlreiche Initiativen auf so etwas wie einen Neustart Gesundheit abzielen. Hier gibt es erhebliche Schnittmengen mit programmatischen Aussagen einer Ampelkoalition. Dr. Helmut Hildebrandt und ich haben im August den Band „Zukunft Gesundheit – regional, vernetzt, patientenorientiert“ mit über 40 Autorinnen und Autoren im medhochzwei Verlag herausgegeben. Dieser fußt auf einer Diskussion in WELT DER KRANKENVERSICHERUNG aus der ein Konzept für eine Neuausrichtung des deutschen Gesundheitssystems entwickelt wurde, wonach die heutige sektoral gegliederte Regelversorgung Schritt für Schritt abgelöst werden soll. Ziel ist es, eine nachhaltige, bedarfsgerechte, robuste und gleichzeitig faire integrierte Gesundheitsversorgung für ganz Deutschland mit Fokus auf Prävention, Gesundheitsförderung und -erhaltung zu etablieren, die den Akteuren ihren Einsatz für Gesundheit und ihre Effizienz belohnt.
Gleichzeitig hatte die Robert Bosch Stiftung in zahlreichen Modellversuchen wissenschaftsbegleitet ein neues Modell der berufsgruppenübergreifenden Primärversorgung entwickelt. Kommunen und Landkreise stehen danach vor der anspruchsvollen Aufgabe, die Gesundheitsversorgung in ihrem Verantwortungsbereich stärker als wichtigen Standortfaktor zu verstehen und sich auftuende Versorgungslücken durch neue, an den Bedarfen einer alternden Bevölkerung Angebote zu ergänzen und zu verbessern. Das Netzwerk Deutsche Gesundheitsregionen | NDGR e.V. sieht ebenfalls eine klare Rolle der Regionen beim Auf- und Ausbau der integrierten Versorgung vor Ort. Gesundheitsregionen bringen dazu alle interessierten und relevanten Akteur*innen der Region zusammen und bilden die Plattform für die Konzeption, Implementierung und kontinuierliche Evaluation angemessener Lösungen.
Auch die Stiftung Münch hat Überlegungen für eine stärkere Verzahnung von ambulanten und stationären Leistungen entwickelt. Der AOK Bundesverband, Helios, Diakoneo und die mittelfränkischen Bezirkskliniken fordern eine integrierte, sektorenübergreifende Bedarfsplanung, die den Weg für passgenaue regionale Versorgungs- und Vergütungsvarianten frei macht. Die AOK Nordost setzt auf die Entwicklung eines ganzheitlichen Versorgungsansatzes. Dadurch sollen Struktur, Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung gesteigert werden. Dabei soll die Versorgung durch einen gemeinsamen regionalen Verbund in regionenspezifischen Trägerschaften organisiert werden. Schließlich fordern die Allianz Kommunaler Großkliniken eine bundesweit einheitliche und qualitätsorientierte Rollenzuweisung und eine entsprechende Konkretisierung der Krankenhausplanung auf Landesebene nach Versorgungsaufträgen und -stufen. Es gibt eine Reihe von Vorschlägen mehr. Es ist an der Zeit, jetzt die gesundheitspolitischen Weichen für die kommende Dekade, für einen Neustart Gesundheit zu stellen.
In diesem Sinne sind wir gespannt auf die inhaltlichen Essentials der gesundheitspolitischen Koalitionsagenda
Ihr Rolf Stuppardt
Evaluationen und Evidenzen sind mehr denn je gefragt
Als nun vollständig auch gegen Corona Geimpfter hinterfragt Herausgeber Rolf Stuppardt ein Evaluationskonzept bezüglich der Wirkungen und Auswirkungen der Maßnahmenpolitik der Bundesregierung in den letzten 20 Monaten, um Klarheit zu bekommen, was in vergleichbaren Fällen in Zukunft wichtig, vielleicht besser zu machen ist. Immerhin sind es die umfassendsten Maßnahmen mit vielen Auswirkungen gewesen und State of the Art ist es schon, weniger Bedeutsames zu evaluieren und Evidenzprüfungen zu unterziehen.
Was wird mit der Finanzierungslücke der Krankenkassen?
Über eine Finanzierungslücke von insgesamt rund sieben Milliarden Euro wird berichtet. Wenn hier nicht ein Bündel an Maßnahmen greift, bleiben neuerliche Beitragssatzanhebungen nicht aus. Ab Oktober wird eine neue Bundesregierung sich dieser Thematik stellen müssen. Nach einem Rekord an Reformmaßnahmen in der nun auslaufenden Legislaturperiode, mit deren Auswirkungen und den Folgen der Pandemie, stellt sich die Frage, welche Maßnahmen es gibt, die Gegensteuern und Ausgleich bewirken könnten. Dies wollten wir von maßgeblich Verantwortlichen der Krankenkassen wissen.
Fontanherzen e. V. – Der beispielhafte Schulterschluss zwischen Familien, Medizin, Wissenschaft und Krankenkassen
In seltenen Fällen kommen Kinder mit nur einer funktionsfähigen Herzkammer zur Welt. Was das bedeutet und welche Folgen das für die betroffenen Kinder, deren Eltern und Familien hat, welche Herausforderungen für Medizin- und Gesundheitssystem sich dahinter verbergen, darüber sprachen wir mit Steffi Sänger, der Vorsitzenden des Fontanherzen e. V. in Magdeburg. Das Interview zeigt eindrucksvoll den engagierten und produktiven Schulterschluss zwischen den Betroffenenfamilien und dem „Profisystem“ mit dem gemeinsamen Ziel, Leben und Lebensqualität zu verbessern, Forschung und innovative Intervention zu fördern.
Digital, regional, integrativ, präventiv und innovativ – so sieht die Zukunft der Diabetesversorgung aus
Die fortschreitende Verzuckerung der globalen Gesellschaften ist eine gesundheitspolitische Herausforderung, die zu Recht ganz oben auf der gesundheitspolitischen Strategieagenda steht. Die Corona-Pandemie hat das Diabetes-Thema zusätzlich befördert. Dr. Annette Mehler und Rolf Stuppardt haben dazu in diesem Jahr einige Diskussionsveranstaltungen geleitet, die hier verdichtet mit Blick auf die Diskutanten reflektiert werden – sie sehen angesichts der medizinisch-technologischen Möglichkeiten gute Voraussetzungen für Beherrschbarkeit und Verhinderung dieser Zivilisationskrankheit.
Digitale Hilfsmittelversorgung schafft Transparenz
Der Markt für Hilfsmittel benötigt eine dringende Öffnung – im Sinne der Patientinnen und Patienten und des Gesundheitssystems. Das Hamburger Start-up meevo Healthcare geht mit dem Online-Einlagenversorger craftsoles einen wichtigen Schritt. Die BARMER, Deutschlands zweitgrößte Krankenversicherung, ist bereits Partner. Das gemeinsame Ziel: Die Versorgung mit Hilfsmitteln im Allgemeinen und insbesondere im Bereich der Prävention in der breiten Masse zu verbessern. Arlett Schlupka erläutert, um was es geht.
Die Gesundheitswirtschaft zählt seit langem zu den wichtigsten Branchen der Volkswirtschaft und trägt damit einen bedeutenden Anteil zum Bruttoinlandsprodukt bei. Das zeigen die Basisdaten auf, die der BVMed aus den angegebenen Quellen kürzlich grafisch aufbereitet hat. So erwirtschaftete die deutsche Gesundheitswirtschaft im Jahr 2020 rund 12,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Dies entspricht in etwa jedem achten Euro des deutschen Bruttoinlandsproduktes. Gleichzeitig ist sie Arbeitgeber für rund 7,4 Millionen Menschen in Deutschland. Darüber hinaus hat sie einen Anteil von 8,8 Prozent an den Exporten, was angesichts des hohen Anteils an Dienstleistungen am Patienten bemerkenswert ist.
Dr. Miriam Meßling ist neue Vorsitzende Richterin am Bundessozialgericht
Mit Wirkung zum 1. September 2021 ist Dr. Miriam Meßling zur Vorsitzenden Richterin am Bundessozialgericht ernannt worden. Sie übernimmt den Vorsitz des für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen 4. Senats. Meßling wurde 1973 in Wuppertal geboren. Sie studierte nach ihrem Abitur Rechtswissenschaften an den Universitäten Trier und Münster und promovierte zu einem rechtsvergleichenden Thema an den Universitäten Münster und Turin. Zuletzt war sie Mitglied des für die gesetzlichen Krankenkassen zuständigen 1. Senats.
Dr. Bernadette Klapper hat Bundesgeschäftsführung des DBfK übernommen
Dr. Bernadette Klapper hat zum 1. Oktober 2021 die Bundesgeschäftsführung des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) übernommen. Damit tritt sie die Nachfolge von Dr. Franz Wagner an, der den Berufsverband nach 22 Jahren verlassen hat und in den Ruhestand getreten ist. Klapper ist Krankenpflegerin und Soziologin. Sie hatte zuletzt die Bereichsleitung Gesundheit der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart inne. Nach dem Studium der Soziologie und wissenschaftlicher Tätigkeit in der Versorgungsforschung kam sie 2003 zur Robert Bosch Stiftung. Zwischenzeitlich arbeitete sie bei der Robert Bosch Healthcare GmbH. Zuletzt verantwortete sie unter anderem zusammen mit der Agnes-Karll-Gesellschaft und dem DBfK das Projekt „Community Health Nursing“.