Vorbehaltsaufgaben: neue Publikationen zu Grundlagen und Einordnung

11.04.2024, Sven C. Preusker
Pflege, Politik & Wirtschaft, Wissenschaft & Forschung


© shutterstock

Die Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP) hat jetzt gemeinsam mit dem Think Tank Vorbehaltsaufgaben (TT VA) eine Publikation zu den Grundlagen und zur Einordnung des Vorbehaltsrechts herausgegeben.

Denn bereits seit 2020 gilt das Pflegeberufegesetz, in dem auch das neue Vorbehaltsrecht der Pflegeberufe geregelt ist. Festgelegt ist dadurch erstmals, dass nur noch Pflegefachpersonen den Pflegebedarf von Menschen feststellen und individuelle Pflegeprozesse von kranken und pflegebedürftigen Menschen organisieren und verantworten dürfen. Dies dient in erster Linie dem Patientinnen- und Patientenschutz und der Sicherung der Pflegequalität. Das Problem ist, dass es noch weithin unbekannt ist und sich kaum jemand daran hält. Ein Autorinnen- und Autorenkollektiv aus Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftlern sowie Pflegegerechtlerinnen und Pflegegerechtlern, die im Think Tank Vorbehaltsaufgaben zusammenarbeiten, und weiteren Expertinnen und Experten hat eine umfassende Handreichung zur Grundlegung und Einordnung der Vorbehaltsaufgaben zusammengestellt.

Auch nach über vier Jahren nach Inkrafttreten des Pflegeberufegesetzes, mit dem die Pflegeausbildung reformiert worden ist, scheinen im Zusammenhang mit den Vorbehaltsaufgaben unzählige Fragen nicht geklärt und eine flächendeckende Umsetzung in weiter Ferne, stellen die Autorinnen und Autoren fest. Prof. Thomas Klie vom Think Tank Vorbehaltsaufgaben erklärt: „Wir haben frühzeitig gesehen, dass die Vorbehaltsaufgaben nicht so umgesetzt werden, wie der Gesetzgeber es vorgesehen hat und beschäftigen uns von Beginn an daher nicht nur mit den berufsrechtlichen Aspekten, sondern auch mit den vielfältigen Aspekten der Verantwortungsübernahme und der weiteren Professionalisierung der Pflege.“

Prof. Inge Eberl, Vorsitzende der DGP, erklärt dazu: „Unsere Veröffentlichung skizziert und problematisiert die unterschiedlichen Implikationen, die die Vorbehaltsaufgaben für die Sektoren und Versorgungsbereiche der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung mit sich bringen. In dieser Breite kann das ein Gesetz allein nicht leisten, da sind Pflegewissenschaft, Pflegerecht und Pflegepraxis gleichermaßen gefordert.“ Sie hoffe, dass die mit der Publikation vorgenommene Grundlegung zur weiteren Diskussion einlade und die Professionalisierung der beruflichen Pflege befördere.

„Die Bedeutung der Vorbehaltsaufgaben kann mit Blick auf das kommende Pflegekompetenzgesetz, das einen wesentlichen Einfluss auf die interprofessionelle Zusammenarbeit in der Gesundheitsversorgung haben wird, gar nicht groß genug bewertet werden“, betonte Klie. Gerade mit Blick auf die angespannte Personalsituation in der Pflege werde es zukünftig besonders darauf ankommen, einen kompetenzorientierten Einsatz von Pflegefachpersonen zu ermöglichen und Verantwortlichkeiten neu zu verteilen. Das aktuell in Arbeit befindliche Pflegekompetenzgesetz greife dieses Anliegen in ermutigender Weise auf, so die Autorinnen und Autoren.

Im kommenden medhochzwei-Newsletter, der Ende April erscheint, werden wir in einem Interview mit Prof. Thomas Klie auf wichtige Aspekte der Handreichung eingehen. Klie wird außerdem am Vorabend des 7. „Heidelberger Forums Gesundheitsversorgung“ in einer Dinner Speech zum Thema „Who cares? Das Gesundheits- und Pflegesystem im demographischen Druck – Analysen, Prognosen, Perspektiven“ sprechen. Hier können Sie sich für das Vorabenddinner am 24. April und hier für das Heidelberger Forum am 25. April anmelden.

VAPiK- Studie zeigt, das Vorbehaltsrecht weitgehend ignoriert wird

Flankierend zu der Handreichung haben wenige Tage später der Katholische Krankenhausverband Deutschland (KKVD) und das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) die Ergebnisse der VAPiK-Studie zu Vorbehaltsaufgaben der Pflege im Krankenhaus (VAPiK) vorgestellt. Das DIP hat in einer vom KKVD geförderten, über ein Jahr andauernden Studie untersucht, wie das pflegerische Vorbehaltsrecht umgesetzt werden kann. Eine Steigerung der Pflegequalität sowie die Aufwertung der professionellen Pflege sind die Ziele, die der Krankenhausverband mit der Studie verfolgt. 

Prof. Dr. Frank Weidner, Direktor des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung: „Das Pflegeberufegesetz steckt erstmals das Aufgabenfeld der Pflege in Deutschland ab. Mit den Vorbehaltsaufgaben der Pflege zieht der Gesetzgeber eine rote Linie, denn seit 2020 dürfen diese Aufgaben nicht von Personen ausgeführt werden, die Pflege nicht gelernt haben – auch nicht von Ärztinnen und Ärzten. Es gilt: Pflege darf nur, wer Pflege kann.“

Zu den Vorbehaltsaufgaben gehören nach § 4 Abs. 2 PflBG die Feststellung und Erhebung des individuellen Pflegebedarfs, die Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses sowie die Analyse, Evaluation, Sicherung sowie Entwicklung der Qualität der Pflege. Nach einschlägiger juristischer und fachlicher Auffassung müsse auch die Planung der Pflege nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 a) PflBG zu den Vorbehaltsaufgaben gezählt werden, auch wenn sie bislang noch nicht im § 4 aufgeführt werde, heißt es in der Studie. 

Für die Studie konnten insgesamt dreizehn komplexere Fallsituationen aus dem Klinik- und Pflegealltag zusammengetragen werden und im Hinblick auf Fragen zu pflegeprozessualen Kontexten und das Vorbehaltsrecht untersucht werden. Die Untersuchung der allgemeinen und einrichtungsinternen Regelungsgrundlagen habe gezeigt, so die Autorinnen und Autoren, dass der größte Teil von ihnen bislang das pflegerische Vorbehaltsrecht ignoriere und es bislang nur einige wenige wegweisende Regelwerke gebe, wie etwa die DNQP-Expertenstandards oder auch einzelne einrichtungsinterne Stellenbeschreibungen für Stationsleitungen.

Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des KKVD: „Pflege hat eine lange Tradition in katholischen Krankenhäusern und birgt ein wertvolles Erbe, das nicht nur gestärkt, sondern mit dem Ziel immer weiterentwickelt werden muss, eine moderne und menschenwürdige Gesundheitsversorgung zu gestalten.“ Mit der VAPiK-Studie wolle man den Prozess der pflegerischen Professionalisierung vorantreiben, um so einerseits die Attraktivität des Pflegeberufs und andererseits die Qualität der Pflege zu steigern.

Rümmelin weiter: „Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung liefert mit der Studie handfeste Empfehlungen auf individueller, organisationaler und politischer Ebene, womit es zur Stärkung der Pflegeprofession beiträgt und eine Versorgung der Patientinnen und Patienten von höchster Qualität fördert. Das schafft für die Krankenhäuser die Möglichkeit, die Vorbehaltsaufgaben mit Leben zu füllen. Wo die Studie endet, fängt die Arbeit an.“

Weidner betonte, dass  die Vorbehaltsaufgaben dem Pflegeprozess folgen würden, der sich aus Feststellung und Erhebung des Pflegebedarfs, der Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses sowie der Analyse, Evaluation, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege bilde. Die Vorbehaltsaufgaben würden Klarheit und Rechtssicherheit schaffen, wenngleich ihre Ausgestaltung ein Aushandlungsprozess sei, der in allen Krankenhäusern und Einrichtungen, in denen Pflege stattfindet, zu führen sei. „Wer dafür einen Tätigkeitskatalog erwartet, denkt Pflege zu klein.“

Die zu Beginn genannte Handreichung von DGP und TT VA trägt den Titel „Vorbehaltsaufgaben der Pflege – Pflegewissenschaftliche und pflegerechtliche Grundlegung und Einordnung und steht hier zum Herunterladen zur Verfügung. Informationen und Kontakt zum Think Tank Vorbehaltsaufgaben sind hier zu finden. Der Abschlussbericht zur  VAPiK-Studie steht hier zum Herunterladen zur Verfügung.

 

Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 06-2024. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!

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