6. HFG 2023 – Pressebericht

Zusammenführen, was zusammengehört

Nachbericht zum 6. Heidelberger Forum Gesundheitsversorgung: Gesundheitsversorgung unter Krisenbedingungen – nachhaltig, regional, koordiniert gestalten

 

Heidelberg, 10.05.2023
Bericht von Rolf Stuppardt


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Schon lange ist klar, dass Gesundheit und Krankheit holistische, komplexe und regelmäßig die Zuständigkeitsmauern unseres Gesundheitssystems übersteigende Aufgaben sind. Diese Aufgaben können nur gemeinsam, interdisziplinär, kooperativ und auf regionaler Ebene gelöst werden – da, wo die Menschen leben und arbeiten, wo sie gesund bleiben oder krank werden. Sie gehen den Einzelnen etwas an, denn hier können wir alle individuell zur Gesundheit etwas beitragen. Und sie gehen gleichermaßen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik etwas an, da Produktivität, Lebensqualität, Wohlsein und letztlich auch Rentabilität dort beginnen.

Als Veranstalter hatten der medhochzwei Verlag, die Fachzeitschrift Welt der Krankenversicherung und die Gesundheitsplattform Rhein-Neckar beim diesjährigen 6. Heidelberger Forum Gesundheitsversorgung die gemeinsame Absicht, Schulterschlüsse zwischen allen Beteiligten zu fördern, Blicke und Vorstellungen über den eigenen Tellerrand zu erleben und so „zusammenzuführen, was zusammengehört“. Genau diese hat sich am 3. und 4. Mai bestens erfüllt. In Heidelberg kamen über 100 Menschen zusammen, bei denen die Bereitschaft, gemeinsam eine bessere Zukunft für das Gesundheitswese zu gestalten, fühlbar war: klare Zustandsdiagnosen, Umsetzungsvorstellungen, Menschen auf Augenhöhe.

„Der größte Fehler bei der Behandlung von Krankheiten ist, dass es Ärzte für den Körper und Ärzte für die Seele gibt, wo doch beides nicht getrennt werden kann“, so zitiert Rolf Stuppardt bei seiner Anmoderation den antiken griechischen Philosophen Platon und macht damit deutlich, wie kurz doch der Weg zwischen der Antike und dem Heute ist. Und auch Heinz Lohmann macht am Vorabend des Forums mit seiner Dinner-Speech „Kunst macht Mut“ klar, dass auch die Gesundheitsbranche mutige und kreative Initiativen dringend braucht. Auch heute gilt es im „modernen“ Gesundheitswesen, Trennendes mutig zu überwinden. Prävention, medizinische Behandlung, Finanzierung und Digitalisierung nachhaltig und bruchlos gemeinsam mit den unterschiedlichen Kernkompetenzen zu gestalten – das ist essenziell für eine bessere Zukunft.

In seiner Keynote zu Beginn des Forums spricht Prof. Dr. Jochen A. Werner Klartext: Er benennt die Defizite im Gesundheitswesen – die keine temporären Unzulänglichkeiten sind –, den fehlenden politischen Willen zur Verbesserung und arbeitet dies an den Überfälligkeiten einer gemeinsamen Digitalstrategie, den fehlenden Zwischenzielen wie auch der Operationalisierung der Ziele heraus und fordert die Orchestrierung übergreifender Themenfelder. Er nennt die Herausforderungen und liefert Lösungswege: Schulterschluss, Mut zum Unperfekten, Mut zu Entscheidungen, Transparenz und unbürokratische Flexibilität für Anpassungen.

 

Was ist notwendig aus der Perspektive von Versicherten und Patienten – darum ging es im ersten Panel mit Dr. Michael Brinkmeier, Dr. Susanne Bublitz, Andrea Galle, Prof. Dr. Dipl. Psych. Friedemann Geiger und Sandra Postel:

  • Prävention als Querschnittsthema zu begreifen, hat grundlegende Bedeutung für Lebensqualität und Produktivität in jeder Lebensphase.
  • Das sektorale System durch Fallbezogenheit zu überwinden, ist nicht allein mit dem Sozialgesetzbuch V lösbar.
  • Subjektiver Bedarf und Bedürfnisse der Menschen müssen besser wahrgenommen werden, sprich: mehr Menschlichkeit, Qualität und Nachhaltigkeit realisieren und so das Denken in Zuständigkeiten beenden sowie die Kommunikation und damit verbundene Verantwortlichkeit verbessern.
  • Gesundheitskompetenz und Souveränität der Menschen stärken: Share to CareProgramme ergebnisbezogen auflegen.

Was sind die Anforderungen an eine nachhaltige Finanzierung – Erkenntnisse aus Panel 2 mit Prof. Dr. Andreas Beivers, Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Hennes und Andreas Storm:

  • Kosten-Nutzen-Relationen müssen den Patientennutzen adressieren.
  • Das Erbe des strukturellen Defizits durch ein investives Transformationsbudget muss überwunden werden.
  • Krankenkassen müssten von der Verpflichtung der Finanzierung gesellschaftspolitischer Aufgaben, die nichts mit Gesundheit zu tun haben, entbunden werden. Ansonsten sind die Versorgungskosten für Grundsicherungsempfänger dreimal so hoch wie die erhaltenen Einnahmen.
  • Es sollte eine Wertediskussion darüber geführt werden, was Bürgerinnen und Bürgern Gesundheitsversorgung wert ist.

Wie gestalten wir komplexe ambulante Versorgung in der Region – darum ging es im dritten Panel mit Dr. Isabella Erb-Herrmann, Dr. Claudia Fleischer, Prof. Dr. med. Peter Rohmeiß, Nicole Ruprecht und Magnus Stüve:

  • Integriertes Leistungsmanagement ist breiter anzulegen: mehr Gestaltungsspielräume ausnutzen.
  • Versorgung kann nicht zentral gesteuert werden. Konkrete Versorgung ist immer lokal, daher verstärkt auf crosssektorale Versorgung auf Lokalebene setzen. Städtische und ländliche Regionen sind differenziert anzugehen.
  • Kreative Lösungen für den Fachkräftemangel schaffen.
  • Quartiersansätze erproben: Kooperation und Vernetzung den regionalen Möglichkeiten entsprechend flexibel verankern.
  • Personalisierte/patientenzentriert Medizin realisieren, indem vernetzte Daten und Interoperabilität geschaffen und die ArztPatientenBeziehung verbessern werden.
  • Digitale Prozesse immer mitdenken und digitale Gesundheitskompetenz auf/ausbauen: Telemedizinische Versorgungsangebote stärken und routinemäßige Datenauswertungen sowie Feedbacks zu allen Interventionen und Devices etablieren.

Um die Digitalisierung im Gesundheitswesen drehte sich das vierte Panel „Digitale Transformation im Gesundheitswesen – Hype oder Nukleus?“ mit Istok Kespret, Admir Kulin, Patrick Lang, Patrick Massow, Dr. Uwe C. Preusker und Marek Rydzewski:

  • Digitale Prozesse sind noch zu weit entfernt von Patientenzentrierung; Entwicklungen sind enger am Bedarf der Menschen auszurichten.
  • Daten sollen sicher ausgetauscht werden: Endto-End-Denken sollte mehr Platz einnehmen.
  • Schnittstellen sind sehr bedeutsam: Es braucht den interdisziplinären Austausch.
  • Alles Digitale muss dem analogen Geschehen zugutekommen: Digitalisierung muss Lebens wie Versorgungsqualität verbessern und barrierefreien Informationsaustausch gewährleisten.
  • Prozesseffizienz erhöhen: Digitalisierung benötigt Strukturanpassungen. Brauchen wir bestimmte digitale Prozesse?
  • Stärkung der Gesundheitskompetenz ist zentral.

 

Fazit

Das System muss aus seiner gegenseitigen „Behinderungskultur“, aus der Blockadementalität raus, um zu einer Konsenskultur im besten Sinne zu gelangen und so operative Vorwärtsstrategien zu vereinbaren. Die Basis bilden dabei Offenheit, Transparenz und regionale Kooperation mit dem Fokus auf Patientenorientierung bei konsequent integrierten Handlungskonzepten, die als lernende Operationen orchestriert auf die Straße gebracht werden müssen. Es geht nicht um mehr Medizin, es geht um mehr Menschenfokussierung im verbundenen System, um Wege zu mehr Menschlichkeit, Qualität und Nachhaltigkeit, wie auch Keynote-Sprecher Prof. Dr. Jochen A. Werner betonte. Es geht auch nicht um Digitalisierung an sich, es geht um nutzenstiftende, effektive und effiziente Ergebnisse. Dazu brauchen wir Digitalisierung, KI, Interoperabilität. Dazu brauchen wir eine faire, nachhaltige Finanzierung für mehr verbundene Gesundheitsversorgung auf lokaler Ebene.

In Heidelberg haben wir zusammengeführt, was zusammengehört und sind bereits voll Vorfreude auf das Forum im kommenden Jahr am 25. April 2024. – Mal sehen, was uns dann erwartet!