Pflegeheime als Orte der letzten Lebensphase und des Sterbens

01.08.2022, Dr. Stefan Arend

Eine breite fachliche Diskussion über die Versorgung am Lebensende – auch mit Blick auf das Austarieren von kurativen sowie symptomlindernden, psychosozialen und das Umfeld einbeziehenden Ansätzen – erscheint dringend geboten. So lässt sich ein zentrales Ergebnis des neuen „Pflege-Reports 2022“, der vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) in Kooperation mit Professorin Adelheid Kuhlmey von der Charité und Professor Stefan Greß von der Hochschule Fulda herausgegeben wird, zusammenfassen.


Die präsentierten Routinedaten- und Befragungsergebnisse verweisen auf ein erhebliches Verlegungsgeschehen in den letzten Lebenswochen und auf potenziell vermeidbare beziehungsweise nicht dem Willen der Pflegeheimbewohnenden entsprechende Krankenhauseinweisungen. Die Pflege und Begleitung von Menschen am Lebensende ist ein wesentlicher Bestandteil des Alltags in deutschen Pflegeheimen. Rund jeder dritte innerhalb eines Jahres verstorbene AOK-Versicherte lebte in einem Pflegeheim. Deutlich mehr als die Hälfte von ihnen wurde in den letzten zwölf Wochen vor dem Tod mindestens einmal in ein Krankenhaus verlegt.


Ein Indikator für die Versorgungsqualität bei Pflegeheimbewohnenden vor dem Versterben sind die besagten Krankenhauseinweisungen: Auf Basis von Routinedaten wurde deshalb eine Studienkohorte von Pflegeheimbewohnenden gebildet und rückwirkend geschaut, ob diese in ihren letzten zwölf Lebenswochen mindestens einen Krankenhausaufenthalt aufwiesen. Es zeigt sich: Bei deutlich mehr als der Hälfte aller Pflegeheimbewohnenden traf dies zu – 2018 und 2019 betrug der Anteil 56 Prozent. Die Krankenhausaufenthalte der betrachteten Kohorte verdichten sich dabei kurz vor dem Tod. Mehr als ein Drittel der Pflegeheimbewohnenden befand sich in der letzten Lebenswoche für mindestens einen Tag im Krankenhaus. In den Jahren 2018 und 2019 lag dieser Anteil bei 33 Prozent.


Die Analysen der Abrechnungsdaten wurden zudem um eine Befragung ergänzt. Von März bis Mai 2022 antworteten rund 550 Pflegende auf einem Online-Fragebogen zu den Rahmenbedingungen der Versorgung am Lebensende in Pflegeheimen. Die Befragten geben Hinweise, dass viele Bewohnende am Lebensende in ein Krankenhaus eingewiesen werden, obwohl dies nach ihrer Einschätzung nicht im besten Interesse der Versterbenden ist. Sieben Prozent geben an, dass sie dies „wöchentlich“ und häufiger beobachten. Aufhorchen lässt zudem: Die deutliche Mehrheit der Befragten beobachtet, dass sich auf Druck der Angehörigen das Behandlungsteam für belastende beziehungsweise lebensverlängernde Behandlungen entschied, obwohl die Patientenverfügung ein anderes Vorgehen nahegelegt hätte.


Zur Studie:
Die Versorgung von Pflegeheimbewohnenden am Lebensende aus Sicht der Pflege. Eine Befragung in deutschen Pflegeheimen.

 

Anzeige
Anzeige