Welt der Krankenversicherung Newsletter 10-2023

Prolog

 

Der Peis ist immer wieder heiß – und was sonst so zu kurz kommt

Wir beklagen häufig die Defizite an der Versorgungsfront im Gesundheitswesen. Transparenz, Qualität, Durchlässigkeit, Ergebnisbezogenheit. Und wir können feststellen, dass viele Reformen der letzten Jahrzehnte nicht darauf abzielen, sondern hauptsächlich auf Kosten und Finanzierung, ohne zu hinterfragen, welchen Logiken das eigentlich folgt und was letztlich Preise und Bewertungssystematiken für ein buntes Leben im Gesundheitswesen führen. 

Der Preis ist heiß, heißt eine alte Spielshow in den elektronischen Medien, die aus einem recht alten US-Format „The Price is Right“ entstanden ist. Dort geht es darum, Preise von Produkten zu erraten. Am Ende konnten die Gewinner ziemlich teure Produkte einstreichen. Arzneimittel z. B. waren m. W. bei den Produkten nicht dabei. Da würden viele sicher daneben liegen. 

Denn schaut man auf die Preisentstehung im Gesundheitswesen kann einem angst und bange werden. Gemessen an anderen volkswirtschaftlichen Bereichen gehört das Gesundheitswesen grundsätzlich zu den hochpreisigen Sektoren. Hier werden noch richtige Margen generiert, wovon z. B. die Automobil- oder Konsumgüterindustrie nur träumen kann. Das Ganze „Preisgefüge“ im Gesundheitssystem ist ein Mischmasch aus Bewertungsrelationen, Vertragsverhandlungen, administrierten Preisen etc. Dabei kann man aber das Gesundheitswesen nicht einfach dem Markt überlassen. Denn das öffentliche Gesundheitswesen ist kein Markt im klassischen Sinne des bekannten Spiels von Angebot und Nachfrage, weil hier Leistungsansprüche normativ gesetzt sind und grundsätzlich auch diejenigen „Nachfrager“ versorgt werden müssen, die sich dies am klassischen Markt gar nicht leisten können. Dies macht das Solidarprinzip aus. Es stehen also viele privatwirtschaftlich agierende (einige öffentlich-rechtliche sind auch dabei) Unternehmen sozusagen einem Treuhänderkonsortium für die „Nachfrager“ (das sind die Krankenkassen und ihre Verbände) wie auch dem regulierenden Staat gegenüber. 

Wir geben international gesehen jedes Jahr auf höchstem Niveau mehr Geld aus für unterdurchschnittliche Ergebnisse. Das kann auf Dauer nicht so weiter gehen. Wir brauchen mehr Preisentstehungs- und in dessen Gefolge mehr Kostentransparenz. 

Auf der anderen Seite kommt aber auch vieles viel zu kurz, was hier auf mittlerer Sicht einiges verändern könnte. So kommt alles im Sinne einer Förderung der Bevölkerungsgesundheit viel zu kurz. Das System mit seinem bunten Preis- und Margenteppich lebt nämlich von der Krankheit. Verkürzt gesprochen, sollen für ihre Gesundheit im Grunde die Menschen selbst zuständig sein. Das sind sie am Ende ja auch. Die Frage ist nur, ob sie das vor dem Hintergrund der sozialen Relevanz gesellschaftlicher Bedingungen überhaupt einigermaßen gerecht und ausgeglichen objektiv können. Von daher sind Heerscharen von Gesundheitsexperten seit Gedenkenszeiten der Auffassung, dass das Fundament eines Gesundheitswesens, das seinen Namen verdient, der gemeinschaftlich organisierte Erhalt der Gesundheit, deren Förderung und die Prävention ist. Denn der Erhalt der Gesundheit ist auch volkswirtschaftlich gesehen – gerade auch vor dem Hintergrund des Ressourcenmangels – sehr relevant, schafft sie doch Produktivität und letztlich auch Rentabilität, von Lebensqualität ganz zu schweigen. Und genau dies wird zwar viel besungen, es wird aber hinsichtlich des notwendigen investiven Engagements viel zu wenig dafür getan. Gesundheitserhalt und Prävention sind die schönsten Stiefkinder der Gesundheitspolitik. Das wissen wir alles, das ist kein Geschwurbel und was passiert aktuell? Herr Lauterbach will ein BIPAM gründen, ein „Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin“ als selbstständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Gesundheitsministeriums. Ja dann. Errichtungsbeauftragter soll ein ehemaliger Leiter eines Gesundheitsamtes sein. Ist das ein kraftvoller Schritt in Richtung Prävention oder in Richtung Verwaltungsarchitektur? Diejenigen, die wirklich im System ganz praktisch ante portas stehen und Gesundheitserhalt wie Prävention nach vorne bringen wollen, schlagen nicht ganz zu Unrecht die Hände über den Kopf zusammen und wenn Froböse sagt, da werden alte Institutionen nur neu verkleidet und im Sinne echter Prävention nichts grundlegend geändert, hat er sicher nicht Unrecht, weil das ganze „Konzept“ eben nicht in einem erforderlichen breiten Sinne interdisziplinär und gesellschaftlich VOR der Erkrankung ansetzt. Der praktischen Vorsorgemedizin wie der praktizierten Medizin überhaupt fehlt das grundlegende Instrumentarium für Gesundheitserhalt und Prävention gegen die zivilisationsbedingten, chronischen Erkrankungen. Es müsste also ein ganz anderer Ansatz sein, der dem medizinischen Versorgungssystem vorgelagerte Kompetenzen einen schlagkräftigen Gestaltungsrahmen gibt.

Wir werden diese Zusammenhänge auf unserem nächsten Heidelberger Forum Gesundheitsversorgung am 24./25. April 2024 unter dem Titel „PRÄVENTION, INNOVATION UND DIE MEDIZIN DER ZUKUNFT“ aufgreifen. 

Viele Grüße und hoffentlich wird’s im November nicht so nebelig
Ihr Rolf Stuppardt

 
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