Rasterpsychotherapie kommt nicht

09.06.2021, medhochzwei
Psychotherapie, Politik & Wirtschaft

Als „sachlich die einzig richtige Entscheidung“ bezeichnete Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), den Schritt, den geplanten Änderungsantrag zur Raster-Psychotherapie zum Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) ersatzlos zu streichen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte den Änderungsantrag zurückgezogen, nachdem er von verschiedenen Seiten massive Kritik geerntet hatte. „Weiterhin bleibt es aber dringend erforderlich, in ländlichen und strukturschwachen Gebieten die Anzahl der zugelassenen psychotherapeutischen Praxen und damit die Behandlungsmöglichkeiten für psychisch kranke Menschen zu erhöhen,“ ergänzte Munz.

Auch die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) hatte die ursprünglich angestrebte Änderung scharf kritisiert. „Die Diskussion über Psychotherapie ist nach wie vor durch viele Vorurteile geprägt“, so Gebhard Hentschel, Bundesvorsitzender der DPtV. So habe Bundesgesundheitsminister Jens Spahn kürzlich den Vorwurf wiederholt, dass in Regionen mit hoher Psychotherapeutendichte die Wartezeiten nicht kürzer seien. „Dies entspricht nicht den Fakten. Unsere Zahlen zeigen deutlich: Die Versorgung hat sich mit mehr Psychotherapeut*innen verbessert. Je höher die Psychotherapeutendichte, umso kürzer sind Wartezeiten auf Erstgespräche und Behandlungen.“ Auch der Vorwurf, Therapien gingen über den Bedarf hinaus, decke sich nicht mit den Zahlen: Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zeigten, dass Patient*innen, die im Anschluss an eine psychotherapeutische Sprechstunde eine weitere ambulante Psychotherapie benötigen, zu 16,5 Prozent Akutbehandlungen, zu 74 Prozent Kurzzeittherapien und nur zu 9,5 Prozent Langzeittherapien nutzen. „Patient*innen kommen nur so lange zur Therapie, wie sie diese brauchen“, betont Psychotherapeut Hentschel. „Indikationsbezogene Zeitvorgaben werden den individuellen Ansprüchen einer Behandlung nicht gerecht.“

Von der KBV war ebenfalls Kritik an den Plänen gekommen – sie hatte von der Politik gefordert, dass die Entscheidung zur psychotherapeutischen Behandlung weiterhin bei den Therapeuten und ihren Patienten liegen müsse. Der Änderungsantrag zum GVWG sah vor, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bis Ende 2022 überprüfen soll, „wie die Versorgung von psychisch kranken Versicherten bedarfsgerecht und schweregradorientiert sichergestellt werden kann“. Das habe stark danach geklungen, dass in die Therapiehoheit der Therapeutinnen und Therapeuten eingegriffen werden soll, hieß es von der KBV.

Bärbel Bas, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, hatte kürzlich über die Absprachen innerhalb der Regierungskoalition zum GVWG berichtet. Der Vorschlag des Bundesgesundheitsministers zur Raster-Psychotherapie sei als nicht zielführend „abgeräumt“ worden. Rund 40 Prozent der psychisch kranken Menschen würden mindestens drei bis neun Monate auf den Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung warten, so Munz. „Der Versuch, angesichts solch massiver Mängel in der Versorgung das Angebot an ambulanter Psychotherapie durch holzschnittartige Vorschriften beschneiden zu wollen, war grotesk und hat auch zu einem berechtigten Protest vieler Patient*innen und Psychotherapeut*innen geführt“, stellte Munz fest.

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