GVWG: Krankenhäuser lehnen vorgesehene Änderungen zum Pflegebudget ab

09.06.2021, Sven C. Preusker
Politik & Wirtschaft, Krankenversicherung

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und verschiedene Krankenhausverbände und -vertreter lehnen die im Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) vorgesehenen Änderungen zum Pflegebudget entschieden ab. Rückwirkend solle hier eine Regelung der Selbstverwaltungspartner ausgehebelt werden, so die DKG. „Im Dezember 2020 haben sich der GKV-Spitzenverband und die DKG nach langem Ringen um einen guten Kompromiss darauf verständigt, die neuen Regelungen für das Vereinbarungsjahr 2020 ausdrücklich als Empfehlungen umzusetzen. Die nun von der AOK vehement geforderte Änderung dieser Selbstverwaltungsvereinbarung durch den Gesetzgeber konterkariert das bewährte Selbstverwaltungsprinzip“, sagte der Vorstandsvorsitzende der DKG, Dr. Gerald Gaß. Vor allem aber würde eine solche Regelung rückwirkend in ein abgeschlossenes Wirtschaftsjahr und bereits geschlossene Sachverhalte eingreifen. Mit dem Rechtsstaatsprinzip ist das nicht vereinbar. „Mit dem Versuch, nachträglich den selber ausgehandelten Kompromiss durch den Gesetzgeber aufzuheben, schwächt die AOK ihren eigenen Spitzenverband. Selbstverwaltungshandeln muss verlässlich sein, ansonsten stellen wir die Legitimation dieses Prinzips selbst in Frage“, so Gaß.

Der AOK-Bundesverband hatte in einer Pressemitteilung einen Änderungsantrag zum GVWG begrüßt, mit dem laut dem Kassenverband strategische Umbuchungen und die Doppelabrechnung von Pflegepersonalkosten im Krankenhaus verhindert werden sollen. Die Änderungen sollten die Ende 2020 geschlossene Vereinbarung zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zur Zuordnung der Kosten für die Ermittlung des Pflegebudgets gesetzlich absichern und mehr Transparenz über den Verbleib der Mittel schaffen, interpretierte der Kassenverband die geplanten Änderungen. Laut der AOK-Vertreter hätten seit der Einführung der Pflegebudgets insbesondere private Kliniken die Personalkosten von Hilfskräften ohne Pflegeausbildung in die Personalkosten für die Pflege umgebucht. Experten würden das Volumen dieser Kostenverlagerungen auf mindestens 800 Millionen Euro schätzen. „Der aktuelle Änderungsantrag trägt dazu bei, die Pflege am Bett zu stärken, die Qualität der Versorgung zu sichern sowie die Arbeitsbedingungen und die Berufszufriedenheit der Pflegekräfte zu verbessern. Wenn die Regelungen in Kraft treten, ist klar, dass die Vereinbarungen von DKG und GKV künftig für alle Kliniken gelten“, sagte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes.

Die von der AOK vorgetragene Behauptung, der Gesetzgeber müsse eingreifen, weil es ansonsten zu Doppelabrechnung und Doppelfinanzierung von Pflegekosten komme, sei durch nichts belegt, so die DKG. Alle Kliniken, unabhängig von ihrer Trägerschaft, müssten im Rahmen der Verhandlungen des Pflegebudgets Nachweise ihrer Personalkosten vorlegen. Sollte es hier im konkreten Einzelfall Zweifel an der Berechnung des krankenhausindividuellen Pflegebudgets geben, hätten die Verhandlungspartner vor Ort alle Möglichkeiten, vorhandene Fragen zu klären. 

Auch der Vorstand des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken (BDPK) widersprach der Behauptung des AOK-Bundesverbandes. Hinter dem Vorwurf stehe die Absicht der Krankenkassen, die Zahl der stationären Behandlungen zu senken und Krankenhausschließungen voranzutreiben. „Für das Ziel, ihre Krankenhausausgaben zu senken, ist der AOK offenbar jedes Mittel recht. Dass dabei Patienteninteressen und der Wille des Gesetzgebers übergangen werden, scheint die Kasse nicht zu stören,“ kommentierte BDPK-Hauptgeschäftsführer Thomas Bublitz die Pressemitteilung des AOK-Bundesverbandes. Nach Auffassung des BDPK gehören die Beschuldigungen der AOK zu ihrer Strategie, den vom Gesetzgeber gewollten Aufbau und die Entlastung des Pflegepersonals in den Krankenhäusern zu verhindern. Bublitz kritisierte auch, dass allen voran die AOK die Verhandlung von Pflegebudgets der Krankenhäuser systematisch blockiert habe. Im Mai 2021 hätten nur die wenigsten Krankenhäuser deutschlandweit geltende Pflegebudgets für das Jahr 2020 mit den Kassen vereinbart. Fast immer sei es notwendig gewesen, wegen mangelnder Einigungsbereitschaft der Kassen die Schiedsstellen anzurufen, die dann meist die von den Krankenhäusern aufgestellten Pflegebudgets für rechtens erachtet hätten. Die 2. und 3. Lesung des GVWG im Bundestag soll am 10./11. Juni stattfinden.

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