3 Fragen an den Experten für Sozialimmobilien Martin Hölscher!

13.05.2022, Dr. Stefan Arend, ProAlter
Interviews & Kommentare


Foto: Martin Hölscher, Aachener Grundvermögen

Als einer der führenden Fachleute für Sozialimmobilien verfolgen Sie seit vielen Jahren wie kaum ein anderer intensiv das Marktgeschehen in Deutschland. Welche Immobilienprodukte stehen aktuell hoch im Kurs?
Bedingt durch das historisch niedrige Zinsniveau sowie den Anlagedruck vieler institutioneller Anleger aus dem In- und Ausland erfreuen sich aktuell nahezu alle Arten von Sozialimmobilien einer hohen Nachfrage.Wir sind überrascht, dass massiv auch in neue Pflegeheime investiert wird; insbesondere in den Bundesländern, in denen die Rahmenbedingungen der Refinanzierung vernünftig geregelt wurden, so z. B. in Baden-Württemberg. Im Fokus stehen jedoch die Angebote, die einen fließenden Übergang vom Servicewohnen im Alter in weiterführende Betreuungsformen wie ambulante Pflege, Tagespflege oder Pflegewohngemeinschaft an ein und demselben Standort anbieten. Auch sehen wir immer häufiger intergenerative Angebote, also Kita und Seniorenwohnen Tür an Tür. Aber auch hybride Angebote, bei denen Arztpraxen, Physiotherapiepraxen, Sanitätshäuser, Apotheken bis hin zum Lebensmitteleinzelhandel das Nutzungsspektrum erweitern, sind auf dem Vormarsch. Der Ausbau des Angebotes im Residenzsegment hingegen geht nur schleppend voran – ein Grund hierfür liegt in der mangelnden Verfügbarkeit attraktiver Grundstücke bzw. den exorbitanten Preisen, die inzwischen hierfür verlangt werden.

Die Branchennachrichten überschlagen sich mit positiven Erfolgsmeldungen und zeichnen das Bild eines milliardenschweren, international verzahnten Gesundheits- und Sozialimmobilienmarktes. Gibt es aus Ihrer Sicht eigentlich auch Anzeichen für die „Grenzen des Wachstums“?
Die gibt es. Weniger von Seiten der Nachfrage als von Seiten des Arbeitsmarkts. Gerade im Bereich Neubau von Pflegeheimen muss immer auch der lokale Arbeitsmarkt gut im Blick behalten werden. Das knappe Gut sind examinierte Pflegekräfte. Und für die Eröffnung eines neuen 80-Betten-Hauses werden davon ca. 40–50 benötigt. Am Fachkraftschlüssel hat sich auch durch die letzte Gesetzesänderung nichts Wesentliches geändert. Aber der Fachkräftemangel trifft ja auch für andere Lebensbereiche, wie z. B. das Handwerk, zu. Aber auch die Verfügbarkeit attraktiver Grundstücke ist, nicht nur bezogen auf das Residenzsegment, endlich und setzt Grenzen.

Ohne Privatkapital werden die vielfältigen Aufgaben unserer Sozialwirtschaft nicht zu schultern sein. Die Experten sind sich einig: Wir brauchen Invest vor allem zur Unterstützung der Sorgearbeit im Lande. Beißt sich das mit den Forderungen nach Gemeinwohlorientierung und der Rückbesinnung auf gemeinnützige, kommunale Lösungen?
Hier müssen wir scharf trennen: Bezogen auf den Sozialimmobilienmarkt ist der Einsatz privaten Kapitals gewünscht, notwendig und sinnvoll. Die Rahmenbedingungen, insbesondere die Investitionskostenregelungen im stationären Segment, müssen so festgelegt sein, dass sie faire Bedingungen schaffen zwischen Investoren, Nutzern und öffentlicher Hand. Sollen Angebote auch außerhalb der stationären Versorgung geschaffen werden für finanziell weniger leistungsstarke Bevölkerungsgruppen, muss die öffentliche Hand dies entsprechend fördern.
Bezogen auf Investitionen zur „Unterstützung der Sorgearbeit im Lande“ bin ich, was den Einsatz privaten Kapitals betrifft, deutlich skeptischer. So sehr wir das Engagement und die Initiative privater Anbieter benötigen, so sehr diese Anbieter in den letzten 25 Jahren nach Einführung der Pflegeversicherung den Markt, das Angebot, die Angebotsvielfalt und -qualität auch bereichert haben, die großen Investitionen in Betriebsübernahmen und organisches Wachstum, die heute getätigt werden, wie z. B. von französischen Aktiengesellschaften oder Privat Equity-Gesellschaften, um sich mehr und mehr Marktanteile in der Sozialwirtschaft zu sichern, dienen nicht in erster Linie dem Gemeinwohl. Ihr Ausgangspunkt sind Anlagestrategien, die der Mehrung des eingesetzten Kapitals ihrer Anleger dienen. Dafür bietet sich der stark fragmentierte, sicher und solide durch Sozialversicherungen, Steuern und angespartes Privatvermögen finanzierte deutsche Pflege- und Gesundheitsmarkt, der vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung weiter stark wächst, als idealer Ort für ein sicheres und lohnendes Investment an.
Investitionen in den Ausbau der Sorgearbeit im Lande, die mit einer Stärkung gemeinnütziger und kommunaler Lösungen einhergehen sollen, werden von öffentlicher Hand getätigt werden müssen, sollen sie den erwünschten Zweck erfüllen. Private Anbieter können in die Leistungserbringung mit einbezogen werden. Dieser Aufgabe werden sie sich auch sicherlich nicht entziehen.

Martin Hölscher ist Sachbereichsleiter Ankauf Gesundheitsimmobilien bei der Aachener Grundvermögen: m.hoelscher@aachener-grund.de

 

Dieser Beitrag stammt aus dem ProAlter Newsletter 5-2022. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!

Anzeige
Anzeige