Zitat des Monats

01.06.2022, Dr. Stefan Arend

„Ich bin nicht jung, erklärte ich immer wieder, ich bin 75 Jahre alt. Nein, jung bin ich bestimmt nicht, aber erfahren. Ich liebe meine Erfahrungen. Und bin immer bereit, etwas dazuzulernen. Wenn das jung ist, dann bin ich es eben. Es ist eigenartig, aber - egal wo - keine Frage wird mir so oft gestellt wie die nach meinem Alter. Der Jugendwahn unserer Gesellschaft ist idiotisch. Ich frage mich immer, wie viele Jahre sind denn eigentlich lebenswert? […] Für viele hört das Leben doch wirklich da auf, wo es beginnen sollte. […] Mit den ersten Falten stellen sich besonders Frauen oft in eine Warteposition, treten auf der Stelle und werden natürlich immer unzufriedener. Sie werden sich ihrer Falten bewusst, nicht aber ihrer Fähigkeiten. Dabei stecken in jedem Menschen so viele Möglichkeiten. Ich glaube nicht, dass ich da eine Ausnahme bin. Ich bin nicht die alte, weise Frau, die erhaben über dem Leben steht. Ich riskiere, ich fordere heraus, ich will mittendrin stehen. Ja, das Leben ist für mich eine großartige Reise - und ganz bestimmt kein Wartesaal. Jede Zeit ist meine Zeit.“

Aus: Lotti Huber: Diese Zitrone hat noch viel Saft! Sankt Gallen/Berlin/Sao Paulo 1990, Seite 166.

Lotti Huber, geborene Goldmann (*16.10.1912 in Kiel - + 31. Mai 1998 in Berlin) war eine deutsche Schauspielerin Sängerin Tänzerin und Autorin. Lotti stammte aus einer großbürgerlichen jüdischen Familie und wurde ab 1937 in den Konzentrationslagern Moringen und Lichtenburg gefangen gehalten. Durch das Engagement ihres Bruders Kurt kaufte 1938 eine US-amerikanische Organisation Lotti Goldmann frei. Sie emigrierte über die Schweiz und Italien nach Palästina. Durch ihren zweiten Ehemann Norman Huber, einem britischen Offizier, kehrte Lotti 1965 nach Deutschland zurück. Durch ihre Zusammenarbeit mit dem Filmemacher Rosa von Praunheim („Unsere Leichen leben noch!“) wurde sie ab 1990 einem größeren Publikum bekannt. Auch ihre Lebenserinnerungen „Diese Zitrone hat noch viel Saft!“ waren ein großer Erfolg. Lotti Huber ist auf dem Jüdischen Friedhof Heerstraße in Berlin beigesetzt.

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