KMi-Talk auf dem HSK: Auf die Politik kann man nicht warten

12.07.2022, Sven C. Preusker
KMi Nachrichten

(v.l. Prof. Dr. Dirk Lauscher, Dr. Nils Brüggemann, Rechtsanwalt Prof. Dr. Bernd Halbe, Dr. Sebastian Krolop, Sven C. Preusker)

Andere Strukturen, die dauerhaft finanzierbar sind und die erforderliche Qualität liefern: Das sehen die Teilnehmer des KMi-Talk 2022, der am 23. Juni auf dem Stand des medhochzwei Verlags auf dem Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit 2022 stattfand, als Basis für ein zukünftiges, resilienteres Gesundheitssystem für Deutschland. Auf die Politik können die Akteure dabei nicht warten, sie müssen von sich aus alle vorhandenen Möglichkeiten nutzen, um die Versorgungssituation zu verbessern. Trotzdem müsse es irgendwann eine Reform geben, die den Namen auch verdient, betonten die Podiumsteilnehmer.

Große Unsicherheit für die kommenden Jahre

Dr. Nils Brüggemann, Mitglied des Vorstandes der St. Franziskus Stiftung, Prof. Dr. Bernd Halbe, Fachanwalt für Medizinrecht und Gründer der Kanzlei Dr. Halbe Rechtsanwälte, Dr. Sebastian Krolop, Global Chief Operating & Strategy Officer der HIMSS und Mitautor des Krankenhaus Rating Reports 2022 und Prof. Dr. Dirk Lauscher, Professor für Ökonomie im Gesundheits- und Sozialwesen an der Katholischen Hochschule Freiburg diskutierten in der Runde am zweiten Kongresstag über das Thema „ungewisse Zukunft für die stationäre Versorgung? – Nun die richtigen Weichen stellen!“. Moderiert wurde die Diskussion von KMi-Chefredakteur Sven C. Preusker.

In seinem Resümee zum soeben erschienenen Krankenhaus Rating Report 2022, der zwar ein im Grundsatz positives Bild der finanziellen Lage der Krankenhäuser für das untersuchte Jahr 2020 zeichnete, wies Krolop darauf hin, dass für die bessere wirtschaftliche Lage der Kliniken allerdings keine langfristig wirksamen strukturellen Veränderungen maßgeblich gewesen seien, sondern vor allem die Ausgleichszahlungen und weitere Hilfen von Bund und Ländern wegen der Corona-Pandemie.

Ein weiteres Problem machte Gesundheitsökonom Lauscher deutlich: Auch wenn sich Landräte in den Krankenhaus-Aufsichtsräten über die finanziellen Ergebnisse der letzten zwei Jahren gefreut hätten – ein „Covid-bereinigtes“ Ergebnis sei für die Krankenhäuser kaum zu berechnen. Damit entstehe aus den letzten zwei Jahren keine Grundlage, auf der man wirklich in die Zukunft planen könnte.

Die Jahresplanung 2022 sei schon mit starken Unsicherheiten behaftet gewesen, so Krankenhausmanager Brüggemann – wenn man über die Jahresplanung 2023 nachdenke, wisse man eigentlich überhaupt nichts mehr, weder die Leistungs- noch die Kostenseite sei einschätzbar. Auf der vorhandenen Basis könne man eigentlich nur Wochen und Monate, nicht Jahre im Voraus planen. Gleichwohl versuche man in der Stiftung, sich auf Veränderungen vorzubereiten – eine Stoßrichtung sei dabei das Denken in regionaler Versorgung, eine weitere die Digitalisierung, die nur über Größe machbar sei, weshalb das Unternehmen auch wachsen werde (siehe „Klinik Markt inside“ 06/2022, S. 1-3).

Es sei extrem wichtig, die Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag nun auch wirklich einmal umzusetzen, betonte der Medizinrechtler Halbe – es werde schon viel zu lange über sektorenübergreifende Versorgung geredet, ohne dass signifikant etwas passiert sei. Man sei seit vierzig Jahren „am Rumhampeln“, jetzt müsse endlich etwas umgesetzt werden. Die Reformkommission zur Krankenhausversorgung ist Halbe zuolge ein „vollkommen falscher Ansatz“, denn es gehe nicht nur um das Krankenhaus, das ganze System müsse verändert werden. Sein Vorschlag: ein dritter Versorgungssektor, in dem die über Hybrid-DRG finanzierten Leistungen (Grundlage ist der überarbeitete AOP-Katalog) erbracht werden und es für die Vergütung egal ist, ob die Leistung nun in einer Praxis, einem MVZ, einem ambulanten OP-Zentrum, einem Krankenhaus oder einer anderen Einrichtung erbracht wird. Dabei wären diejenigen, die die Leistung erbringen, ärztlich-medizinisch verantwortlich.

Schlechte Versorgung trotz Überkapazitäten

Dass das deutsche Gesundheitssystem im Moment vor allem von Überkapazitäten geprägt sei, merkte Krolop zum Ende der Runde an – noch nie habe es so viele Ärztinnen und Ärzte und so viele Pflegefachpersonen in den Krankenhäusern gegeben wie derzeit. Einen Personal- und Bettenmangel kann Krolop nicht erkennen, vielmehr seien die Strukturen falsch, und innerhalb dieser falschen Strukturen würden die falschen Prozesse genutzt. Einen funktionierenden Wettbewerb gebe es nicht, das System sei vollkommen überreguliert. Viel wichtiger als die Menge der Ressourcen sei der richtige Einsatz, hier herrsche das größte Defizit. „Zusammenkommen, zu Ende denken“ sieht Lauscher als die Devise, um die kommende Krise zu überwinden und eine zukunftssichere Versorgungslandschaft zu schaffen.

20 Jahrgänge KMi

Der diesjährige KMi-Talk markierte im Übrigen auch ein Jubiläum – den 20. Jahrgang von „Klinik Markt inside“, der mit einer Sonderausgabe gefeiert wurde. Diese enthält auf 32 Seiten Gastbeiträge unter anderem von Prof. Martina Hasseler, Roland Engehausen, Dipl.-Vw.Pia Drauschke und Dr. Stefan Drauschke, Prof. Heinz Lohmann und Prof. Bernd Halbe. Eingeleitet wird die Ausgabe mit einem Beitrag zu 20 Jahren Krankenhausmarkt von KMi-Herausgeber Dr. Uwe K. Preusker. Mehr zu Klinik Markt inside hier.

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