TI: Österreich habe eine „Sechsklassenmedizin“ – EU Hotspot für Korruption

15.11.2022, Rolf Stuppardt, Welt der Krankenversicherung
Versorgung, Krankenversicherung, Heilberufe

Vier von fünf Befragten sind laut einer Umfrage der Meinung, dass jene, „die es sich leisten können“, in Arztpraxen und Spitälern bevorzugt werden. Das österreichische Gesundheitswesen habe „ein Problem mit ungleichen Zugängen zu Leistungen“, bestätigt eine Expertin von Transparency International. Sie nennt es „Sechsklassenmedizin“. Fast 80 Prozent sind laut Austrian Health Report, der Ende September veröffentlicht wurde, der Meinung, dass Patientinnen und Patienten, „die es sich leisten können“, in Österreich schneller behandelt werden. Und nur 22 Prozent empfinden das österreichische Gesundheitssystem als fair ist und gleichberechtigt. Als „alarmierend“ bezeichnet Andrea Fried, Expertin von Transparency International Österreich, diese Ergebnisse. Fried spricht in diesem Zusammenhang von einer Sechsklassenmedizin in Österreich – denn der viel zitierte Begriff der „Zweiklassenmedizin“ greife zu kurz. Die Sechsklassenmedizin reiche von Unterschieden in den Leistungsspektren der verschiedenen Krankenversicherungsträger über private Zusatzversicherungen und Privatzahlungen bis zu Menschen, die gar keinen Krankenversicherungsschutz haben. Auch das Nutzen von persönlichen Beziehungen zählt Fried zur Sechsklassenmedizin: „Vitamin B ist in Österreich auch im Gesundheitswesen ganz offensichtlich ein wichtiger Faktor.“ Laut Korruptionsbarometer 2021 von Transparency International nutzten in Österreich 36 Prozent der Befragten persönliche Beziehungen, um in einem öffentlichen Krankenhaus eine benötigte Leistung zu erhalten. Der EU-Durchschnitt liegt bei 29 Prozent. Doch nicht nur in Österreich ist das Gesundheitswesen besonders anfällig für Korruption. Im jüngsten Korruptionsbarometer von Transparency International wird das Gesundheitswesen der EU als „Hotspot für Korruption“ bezeichnet. Bestechung sei in Osteuropa am weitesten verbreitet, Österreich weise aber ähnlich wie Belgien im Vergleich zu den meisten westeuropäischen Ländern überdurchschnittliche Bestechungsquoten auf.

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