Reformkommission stellt Vorschläge für umfassende Struktur- und Finanzierungsreform vor

06.12.2022, Sven C. Preusker
Politik & Wirtschaft, Versorgung

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) hat am 6. Dezember die Vorschläge der Regierungskommission zur bedarfsgerechten Krankenhausversorgung für eine umfassende Reform der stationären Versorgung vorgestellt. „Diese Empfehlung wird eine Grundlage für unsere große Krankenhausreform sein,“ sagte Lauterbach. Und diese werde nicht weniger als eine „Revolution im System“ sein. Medizinische, nicht ökonomische Gründe sollen für das Handeln von Krankenhäusern im Vordergrund stehen, so Prof. Tom Bschor, Koordinator der Kommission. 

„Patientinnen und Patienten sollen sich darauf verlassen können, dass sie überall, auch in ländlichen Regionen, schnell und gut versorgt werden sowie medizinische und nicht ökonomische Gründe ihre Behandlung bestimmen,“ so Lauterbach. Dafür müsse das Fallpauschalen-System überwunden werden. „Eine gute Grundversorgung für jeden muss garantiert sein und Spezialeingriffe müssen auf besonders gut ausgestattete Kliniken konzentriert werden. Momentan werden zu oft Mittelmaß und Menge honoriert. Künftig sollen Qualität und Angemessenheit allein die Kriterien für gute Versorgung sein,“ betonte Lauterbach.

Die Vorschläge der Regierungskommission im Einzelnen:

1. Vergütung von Vorhalteleistungen

Um die Bedeutung der Krankenhäuser für die Daseinsvorsorge zu unterstreichen und um den wirtschaftlichen Druck auf möglichst viele Behandlungsfälle zu senken, empfiehlt die Regierungskommission, künftig einen festen Betrag als Vorhaltekosten zu definieren, den Krankenhäuser – je nach ihrer Zuordnung (siehe Punkte 2 und 3) – erhalten. Damit solle wirtschaftlicher Druck von den Krankenhäusern genommen werden. Konkret sollen die Vorhaltekosten über die 128 von der Kommission vorgeschlagenen Leistungsgruppen rund 40 Prozent der Vergütung umfassen, wobei die aktuellen Pflegebudgets rund 20 Prozent dieser Vorhaltekosten ausmachen sollen. In Intensivmedizin, Notfallmedizin, Neonatologie und Geburtshilfe soll die Vorhaltung rund 60 Prozent der Vergütung ausmachen.

2. Definition von Krankenhaus-Versorgungsstufen (Leveln)

Künftig sollen Krankenhäuser in drei konkrete Level eingeordnet und entsprechend gefördert werden:

  • Grundversorgung – medizinisch und pflegerische Basisversorgung, zum Beispiel grundlegende chirurgische Eingriffe und Notfälle. Einrichtungen dieser Stufe sollen teilweise ambulant-stationär integriert arbeiten, regional und unter Beteiligung der Länder, der Regionen/Kreise/Kommunen und der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte geplant werden und z.B. auch unter der Leitung qualifizierter Pflegefachpersonen arbeiten können. 
  • Regel- und Schwerpunktversorgung – Krankenhäuser, die im Vergleich zur Grundversorgung noch weitere Leistungen anbieten.
  • Maximalversorgung – zum Beispiel Universitätskliniken.

Für jedes Level sollen einheitliche Mindestvoraussetzungen gelten. Damit würden erstmals einheitliche Standards für die apparative, räumliche und personelle Ausstattung gelten – und damit die Behandlungsqualität für die Patientinnen und Patienten maßgeblich erhöht werden, so das Bundesgesundheitsministerium (BMG).

Zu den Krankenhäusern des Levels I heißt es vom BMG, ihnen werde „eine besondere Bedeutung zugemessen. Sie müssen flächendeckend eine wohnortnahe Versorgung garantieren. Sie werden daher unterteilt in Krankenhäuser, die Notfallversorgung sicherstellen (Level I n) und solche, die integrierte ambulant/stationäre Versorgung anbieten (Level I i). Krankenhäuser des Levels I i soll eine Schlüsselrolle auf dem Weg zur Überwindung der zu häufig noch stationär-ambulant getrennten Gesundheitsversorgung zukommen. Deshalb empfiehlt die Regierungskommission, sie sektorenübergreifend regional zu planen, sie vollständig aus dem DRG-System herauszunehmen und über Tagespauschalen zu vergüten. Zudem soll durch entsprechende gesetzliche Änderungen ermöglicht werden, dass sie unter pflegerischer Leitung stehen können.“

3. Einführung von definierten Leistungsgruppen

Die lediglich grobe Zuweisung von Fachabteilungen (wie „Innere Medizin“) zu Krankenhäusern soll durch genauer definierte Leistungsgruppen abgelöst werden (z. B. „Kardiologie“). Derzeit behandeln Krankenhäuser gewisse Fälle zu häufig auch ohne passende personelle und technische Ausstattung, etwa Herzinfarkte ohne Links-herzkatheter, Schlaganfälle ohne Stroke Unit oder onkologische Erkrankungen ohne zertifiziertes Krebszentrum.

Behandlungen sollen künftig nur noch abgerechnet werden können, wenn dem Krankenhaus die entsprechende Leistungsgruppe zugeteilt wurde. Voraussetzung für die Zuteilung ist die Erfüllung genau definierter Strukturvoraussetzungen für die jeweilige Leistungsgruppe, etwa bezüglich personeller und apparativer Ausstattung. Je nach Komplexität wird für jede Leistungsgruppe festgelegt, ob sie an Krankenhäusern aller drei Level erbracht werden darf oder nur an Krankenhäusern höherer Level (II und III oder nur III). Die Behandlungsqualität für die Patientinnen und Patienten wird so maßgeblich verbessert. Für jede Leistungsgruppe wird ein Vorhalteanteil festgelegt.

Die Regierungskommission empfiehlt, die Regelungen nicht sofort gelten zu lassen, sondern in einer großzügigen Übergangsphase schrittweise einzuführen (Konvergenzphase von fünf Jahren). Damit bleibe den Krankenhäusern, den Ärztinnen und Ärzten, Krankenkassen und Ländern ausreichend Zeit, sich auf das veränderte Finanzierungssystem einzustellen.

„Reformdiskussion endlich eingeleitet“

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßte in einer ersten Reaktion, dass mit den Vorschlägen der Expertenkommission Krankenhausreform nun endlich die Reformdiskussion eingeleitet werde. „Mit der Vorstellung der Reformvorschläge der Expertenkommission beginnt nun der notwendige strukturierte Prozess, um die Reformvorschläge mit den Akteuren, Verbänden, Bund und Ländern abzustimmen. Die vorgesehenen Veränderungen im Finanzierungs- und Planungswesen des Krankenhaussystems sind eine Grundlage, um zu diskutieren, inwiefern sie umsetzbar und praktikabel sind. Bei allen Einzelvorschlägen braucht es nun ein tragfähiges Gesamtkonzept für eine Reform, die insgesamt auch mit den Ländern konsentiert werden muss. Es dürfen jetzt keinesfalls einzelne Regelungen vorgezogen und mit der Brechstange umgesetzt werden, bevor die Reform insgesamt vereinbart ist. Denn ständig einzelne Veränderungen herauszulösen, führt zu mehr Verwerfungen als zu Fortschritt im System. Deshalb wird es Zeit, Finanzierung, Planung, Entbürokratisierung und Personalfragen zusammen zu denken und zusammen zu reformieren. Nur so kann eine nachhaltige konsistente Reform gelingen“, so der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß.

Gerade in der Finanzierungsfrage würden sich die Reformvorschläge aus Sicht der Krankenhäuser daran messen lassen müssen, ob sie tatsächlich nachhaltig eine Verbesserung für die Versorgung der Patienten, die Krankenhäuser und die dort Beschäftigten bringen.

 

Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 23-2022. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!

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