ePA: breite Zustimmung für Widerspruchslösung

22.02.2023, Sven C. Preusker
Politik & Wirtschaft, Digital Health

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Nach dem Willen der Bundesregierung soll künftig für alle Bürgerinnen und Bürger eine elektronische Patientenakte (ePA) eingerichtet werden. Versicherte, die das nicht wollen, können widersprechen. Dieses sogenannte Opt-out-Verfahren trifft einer Befragung zufolge auf großen Rückhalt in der Bevölkerung. Und es stellt eine Umkehrung des bisherigen Verfahrens dar, bei dem die ePA nur auf Wunsch des Patienten angelegt wird – was sich in den bisherigen Nutzungszahlen niederschlägt: Bisher (Stand Ende 2022) nutzt weniger als ein Prozent der rund 74 Millionen gesetzlich Versicherten die ePA.

Bei der aktuellen Umfrage zum Thema Opt-out bei der ePA gaben zwei Drittel der Befragten an, die Widerspruchslösung zu bevorzugen. Zudem wollen laut der Ergebnisse drei von vier Befragten die ePA selbst nutzen – Akzeptanz ist also vorhanden. Nun komme es darauf an, ihre Vorteile für Patientinnen und Patienten als auch für Beschäftigte im Gesundheitswesen genau zu erklären und Vorbehalte zu entkräften, hieß es von den Studienautoren. Selbst unter denen, die die ePA für sich ablehnen, äußert eine relative Mehrheit von 42 Prozent Zustimmung zum sogenannten Opt-out-Verfahren. Bisher muss die ePA vor der Einrichtung vom Versicherten aktiv freigeschaltet werden (Opt-in). Auch die Befüllung mit Daten und deren Nutzung in der Arztpraxis oder im Krankenhaus erfordern ein individuelles Einverständnis. „Dieses komplizierte Einwilligungsverfahren dürfte einer der Gründe sein, weshalb in Deutschland bisher nicht einmal ein Prozent der Versicherten die ePA nutzen. In Österreich, wo Opt-out schon seit Jahren gilt, sind es 97 Prozent. Mit Opt-out kann auch in Deutschland die ePA zur Datendrehscheibe im Gesundheitswesen werden“, erläuterte der Gesundheitsexperte Stefan Etgeton von der Bertelsmann-Stiftung, die die Studie gemeinsam mit der Stiftung Münch beauftragt hatte.

Den Nutzen der ePA sehen die meisten Menschen vor allem im Versorgungsalltag: Von einem schnellen und umfassenden Zugriff auf Informationen in der Arztpraxis versprechen sich die Befragten eine bessere medizinische Behandlung. Mehr als ein Drittel (37 Prozent) erwartet sogar eine Verbesserung im Arzt-Patienten-Verhältnis. Die größten Vorbehalte bestehen hinsichtlich des Datenschutzes und der Datensicherheit. Knapp die Hälfte der Befragten (48 Prozent) äußert hier Bedenken. Die Angst vor Datenmissbrauch sowie der Wunsch nach möglichst umfassender Kontrolle über die eigenen Daten sind im Osten ausgeprägter als im Westen. 

Das weitaus größte Vertrauen beim Umgang mit den Gesundheitsdaten genießt die Ärzteschaft, deutlich vor den Krankenkassen. Mit 47 Prozent gibt fast die Hälfte der befragten Personen an, dass die Hausarztpraxis die ePA befüllen soll. 40 Prozent der Befragten würden ihre Daten generell für alle behandelnden Ärztinnen und Ärzte freigeben. Etwa die Hälfte würde jedoch gern selbst entscheiden, wer was zu sehen bekommt. „Die einen wollen, dass digital vorhandene Informationen von den Gesundheitsprofis auch ungefragt genutzt werden können. Die anderen möchten lieber die Hoheit über die eigenen Daten behalten. Die ePA kann unter Opt-out-Bedingungen beiden Gruppen gerecht werden: Die Daten werden automatisch eingestellt und genutzt, lassen sich aber jederzeit auch sperren. Die Versicherten verlieren daher niemals die Kontrolle“, so Prof. Boris Augurzky, Vorstand der Stiftung Münch. 

Neben den notwendigen technischen Vorbereitungen für die Umstellung auf das Opt-out-Verfahren komme der Kommunikation rund um die neue ePA eine erhebliche Bedeutung zu, betonte Etgeton. Diese müsse die jeweiligen Zielgruppen – Versicherte, Ärzteschaft und Krankenkassen – spezifisch ansprechen, mögliche Vorbehalte aufgreifen, aber vor allem den Nutzen der ePA ins Zentrum stellen. Beschäftigte im Gesundheitswesen würden aufgrund ihrer Doppelrolle hierbei besondere Beachtung verdienen, hieß es: Sie müssten von den Vorzügen der ePA überzeugt sein, um die Versicherten glaubwürdig überzeugen zu können. Darum hat die Bertelsmann Stiftung mit der Befragung auch ein Kommunikationskonzept veröffentlicht, das auf den Ergebnissen sowie weiteren Expertisen basiert. Es soll den Verantwortlichen in Politik und Selbstverwaltung konkrete Hinweise geben, worauf bei der Einführung der neuen ePA kommunikativ zu achten sein wird. Es ist hier zu finden.

Für die repräsentative Befragung der Bertelsmann Stiftung und der Stiftung Münch hat das Befragungsinstitut Kantar im August und September 2022 insgesamt 1.871 Menschen im Alter ab 14 Jahren in Privathaushalten persönlich befragt. Dabei wurden ausschließlich Personen berücksichtigt, die auch das Internet nutzen.

Die Möglichkeiten zur datenschutzkonformen Ausgestaltung elektronischer Patientenakten im europäischen Rechtsvergleich mit einem besonderen Blick auf das Opt-out-System hat 2021 eine Studie von Prof. Christoph Krönke unter dem Titel „Die elektronische Patientenakte und das europäische Datenschutzrecht“ für die Stiftung Münch untersucht. Sie ist im medhochzwei Verlag erschienen und hier erhältlich.

 

Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 04-2023. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!

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