Hochschule Hof startet Masterstudiengang Cross Cultural Nursing Practice

13.04.2023, Sven C. Preusker
Pflege, Aus- & Weiterbildung, Politik & Wirtschaft

Unter anderem mit dem Ziel, die Gewinnung ausländischer Pflegefachkräfte voranzutreiben, startet die Hochschule Hof (Bayern) im kommenden Jahr den nach eigenen Angaben deutschlandweit einmaligen Masterstudiengang „Cross Cultural Nursing Practice M.A.“

Man müsse in Bayern dringend Gas geben, um noch rechtzeitig qualifizierte Zuwanderung für den Pflege- und Krankenhaussektor zu erreichen, sagte Hochschulpräsident Prof. Jürgen Lehmann bei der Vorstellung des Studiengangs – andere Bundesländer seien bereits sehr aktiv hinsichtlich der Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte, insbesondere in Indien. „Deshalb wollen wir an der Hochschule Hof ein Pilotprojekt schaffen, das bundesweit Signalwirkung hat. Eine vergleichbare Initiative zur Care-Migration gibt es in ganz Deutschland noch nicht.“ Allerdings hätten Headhunter, die sich nicht um die nach Deutschland immigrierten jungen Menschen kümmern, z.B. in Indien schon eine abschreckende Wirkung hinterlassen.

Geschaffen werden soll ein gebührenfreier Masterstudiengang, der sich weltweit an bereits mit dem Bachelor vorqualifiziertes Pflegepersonal wendet. Dabei hat die Hochschule vor allem Indien im Blick. „Über 800 indische Studierende sind bereits problemfrei bei uns integriert, wovon etwa zwei Drittel in Deutschland als Arbeitskräfte verbleiben. Mit dem Bayerisch-Indischen Zentrum für Wirtschaft und Hochschulen sowie mit unserem Büro in Bangalore sind wir auf dem Subkontinent zudem hervorragend vernetzt“, so Lehmann. 

Prof. Gerald Schmola, Dekan der Fakultät für Interdisziplinäre und innovative Wissenschaften der Hochschule Hof, gab zu bedenken, dass Deutschland keinesfalls mehr das Paradies für mögliche Interessenten aus dem Ausland sei – zumal hier zunächst Deutsch gelernt werden müsse, während zum Beispiel Inderinnen und Inder in englischsprachigen Ländern einen deutlichen Integrationsvorteil besäßen. An der Hochschule Hof müsse man bei der Bewerbung bereits Deutsch auf A2 Niveau verlangen und wolle dies im Rahmen des englisch- und deutschsprachigen Studiums auf B2 (Europäischer Referenzrahmen) verbessern. 

Prof. Matthias Drossel, gelernter Gesundheits- und Krankenpfleger und Professor für angewandte Gesundheitsversorgung, sprach über die Kernbestandteile des neuen Studiengangs: Es gehe dabei nicht um eine höhere Wertigkeit der akademischen Bildung gegenüber ein- oder dreijährigen Ausbildungen und Fachweiterbildungen, sondern um die bestmögliche Befähigung für die Patientenversorgung durch erweiterte Kompetenzen. Neben den Themen Sprache und Kultur sowie der Vermittlung medizinisch-pflegerischer Zusatzkompetenzen für die direkte Patientenversorgung, erwarte die neuen Studierenden auch eine Masterarbeit auf der Basis von mindestens 900 Stunden Tätigkeit am Patienten im Praktikum. Sie werden zudem umfangreich auf die pflegerische Kenntnisprüfung (nach § 45 PflAPrV) vorbereitet. „Wir brauchen sie alle: Ausgebildete und Studierte! Jeder bringt seine besonderen Fähigkeiten mit. Die Kombination der Abschlüsse, Erfahrung und Fähigkeiten, der so genannte Skill- und Grade-Mix, muss an der Patientenversorgung orientiert stattfinden“, so Drossel.

Die bayerische Staatsregierung wiederum hat das Ziel, die staatlichen Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse in der Pflege zu vereinfachen, zu vereinheitlichen und zu beschleunigen. „Im Zuge der Zentralisierung der Anerkennungsverfahren beim Landesamt für Pflege ab 1. Juli 2023 und zahlreichen Maßnahmen zur Verschlankung der Verwaltungsverfahren werden wir die durchschnittliche Bearbeitungsdauer für Anträge deutlich senken“, so Ministerialrat Dr. Gregor Jaburek vom bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege. Im Jahr2022 seien insgesamt rund 3.600 Anträge auf Anerkennung als Pflegefachkraft gestellt worden, hauptsächlich aus den Philippinen, Bosnien/Herzegowina und Tunesien. Die Tendenz sei deutlich steigend. Von rund 260.000 Pflegekräften in Bayern seien derzeit rund 20 Prozent aus dem Ausland. „Eine große Herausforderung ist auch, die ausländischen Pflegefachkräfte dauerhaft in Deutschland zu halten. Daher misst die Staatsregierung dem Thema Integration besonderen Stellenwert zu“, so der Ministerialrat. Deshalb sei der Ansatz der Hochschule Hof völlig richtig, gleichzeitig zum Studium auch auf die Integration in der Gesellschaft und dem Arbeitsmarkt großen Wert zu legen.

Dem schloss sich auch Michael Wittmann, Geschäftsführer der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB), an: „Eine Herausforderung ist, dass viele nach Deutschland gezogene Pflegekräfte bei uns nicht glücklich werden, solange die Unterstützung im Privaten fehlt. Auch darum muss man sich kümmern.“ Sein Kollege Bernhard Krautz trug anschließend die maßgeblichen Befunde des aktuellen „Monitoring Pflegepersonalbedarf der VdPB“ vor. Sein Fazit: Offene Stellen blieben oft über Monate unbesetzt, von einem Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage könne längst nicht mehr die Rede sein und die Arbeitgeber erlebten einen enormen Konkurrenzkampf im Bemühen Pflegekräfte zu verpflichten. Zudem sei der Mobilitätsradius der Pflegenden mit 20 bis 25 Kilometer sehr gering: „Es ist aber auch verständlich, dass niemand nach stundenlanger und körperlich sehr fordernder Arbeit mehr Lust auf eine große Wegstrecke hat“.

Allerdings sei die Verweildauer im Beruf mit durchschnittlich 16 bis 20 Jahren länger als oft angenommen. Positiv sei zudem die hohe Versorgungsdichte innerhalb Bayerns mit Krankenhäusern, stationärer und ambulanter Pflege sowie einer Vielzahl von Reha-Einrichtungen. Aufgrund sehr heterogener Bedarfe quer durch alle Regierungsbezirke sei die Frage, wo und wann künftig wieviel Personal gebraucht werde, nur sehr schwer zu beantworten: „Die Versorgung und auch die Bedarfe sind regional extrem unterschiedlich und müssen daher sehr kleinteilig geplant werden“, so Krautz. Zudem müsse es das Ziel sein, personalintensive Versorgungsformen wie die vollstationäre Unterbringung zu reduzieren und die Rolle der Pflege grundsätzlich aufzuwerten.

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