Zi veröffentlicht Berechnungen zu Auswirkungen Integrierter Notfallzentren

17.05.2023, medhochzwei
Politik & Wirtschaft, Versorgung, Heilberufe

Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat vor dem Hintergrund der Empfehlung der „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ zur Reform der Notfall- und Akutversorgung in Deutschland Berechnungen zu den möglichen Effekten der vorgeschlagenen Regelungen auf die derzeitige ambulante Akut- und Notfallversorgung durchgeführt. Die Kommission schlägt vor, die Notfallversorgung möglichst an größeren, gut ausgestatteten Krankenhäusern zu konzentrieren und diese zu Integrierten Notfallzentren (INZ) umzuwandeln, indem die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) dort Bereitschaftspraxen einrichten. Nach dem Konzept Kommission soll die Bereitschaftspraxis an allen Kliniken der Notfallstufe 3 rund um die Uhr besetzt sein, an allen Krankenhäusern der Notfallstufe 2 empfiehlt die Kommission eine Besetzung der Bereitschaftspraxis Mo.-Fr. 14-22 Uhr sowie Sa., So. und feiertags 9-21 Uhr. Darüber hinaus sollen laut der Empfehlung, wo regional erforderlich, auch an Kliniken der Notfallstufe 1 Bereitschaftspraxen oder Medizinische Versorgungszentren (MVZ) im 24/7-Betrieb eingerichtet werden. Zusätzlich empfiehlt die Regierungskommission, den fahrenden ärztlichen Bereitschaftsdienst zukünftig rund um die Uhr anzubieten.

Laut der Berechnungen des Instituts könnte der Vorschlag der Regierungskommission dazu führen, dass die Zahl der Bereitschaftspraxen von heute rund 865 deutlich reduziert wird, da die Kommission von 160 Krankenhäusern der Notfallstufe 3 und von 260 Krankenhäusern der Notfallstufe 2 ausgeht. Um aber die erweiterten Präsenzzeiten in rund 420 INZ durch niedergelassene Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner, Internistinnen und Internisten oder Chirurginnen bzw. Chirurgen bereitstellen zu können, müssten rund 600 Vertragsarztpraxen täglich geschlossen werden. Der Grund hierfür sei, das niedergelassene Ärztinnen und Ärzte zum Dienst in den Bereitschaftspraxen verpflichtet wären oder Ruhezeiten einzuhalten hätten und nicht zur medizinischen Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten in den Praxen zur Verfügung stehen könnten.

Dies würde laut Zi zunächst bedeuten, dass rund vier Millionen Patientenkontakte in der vertragsärztlichen Regelversorgung nicht mehr wie üblich stattfinden könnten. Ein gewisser Anteil der betroffenen Patientinnen und Patienten würde sich dann voraussichtlich an die Notfallversorgung wenden. An den INZ würden aber, so das Institut, üblicherweise weniger Patientinnen und Patienten pro Stunde behandelt als im regulären Praxisbetrieb. Gehe man davon aus, dass an künftigen INZ in etwa die gleichen Fallzahlen pro Stunde ambulant behandelt werden wie heute, wäre dort mit rund einer Million zusätzlichen Patientenkontakten zu rechnen. Rechnerisch bleiben somit rund drei Millionen Patientenkontakte, die entweder in anderen Praxen versorgt werden müssten oder zusätzlich in die Notfallversorgung drängen und dort wieder eine Überlastung hervorrufen würden. Würde zusätzlich der fahrende Bereitschaftsdienst auf die Praxisöffnungszeiten erweitert, würden weitere rund 850 Praxen täglich geschlossen werden müssen.

„Wir müssen die Personalengpässe in der medizinischen Versorgung berücksichtigen. Wenn die Strukturen der Notfallversorgung dadurch entlastet werden, dass der Regelversorgung Personal entzogen wird, schmälert dies das Versorgungsangebot der Praxen. Wenn Patientinnen und Patienten auf diese Weise lernen, dass der Zugang zu ärztlicher Versorgung über die Angebote der Notfallversorgung einfacher ist, entsteht ein gefährlicher Sogeffekt weg von der Regelversorgung hin zur Notfallversorgung. Die zwangsläufige Folge wäre, dass die Notfallversorgung wieder überlastet wird“, so der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. Er illustrierte die erwarteten Folgen mit den Zahlen des Jahres 2021: damals rechneten die Krankenhäuser rund 8,8 Millionen ambulante Notfälle mit den Kassenärztlichen Vereinigungen ab. Dieser Zahl standen ungefähr 200 Millionen behandelte Akutfälle in den Praxen gegenüber. Würden regelhaft nur zehn Prozent dieser Akutfälle jährlich Abhilfe in der Notfallversorgung statt in den Praxen suchen, wären Rettungsdienste und INZ sehr schnell überlastet, befürchtet von Stillfried. „Die Regierungskommission muss daher neu denken: Die anstehende Reform darf den Zugang zur Notfallversorgung nicht so regeln, dass Patientinnen und Patienten die Notfall- gegenüber der Regelversorgung vorziehen. Dies würde nur einen Teufelskreis der Überlastung schaffen. Die medizinische Notfallbehandlung muss vielmehr etwas Besonderes für echte Notfälle bleiben.“

Der Zi-Vorstandsvorsitzende wirft der Kommission vor, bei ihren Empfehlungen zu INZ die Herausforderungen des voranschreitende Fachkräftemangel noch ausgeklammert zu haben. Zielführender dürfte es seiner Meinung nach sein, in Angebote zu investieren, die das Prinzip der Vermittlung Hilfesuchender in angemessene Versorgungsangebote stärken. Dazu gehöre die telefonische oder digitale Terminvermittlung oder Beratung. Auf der Grundlage strukturierter Ersteinschätzungsverfahren könne ein nach Dringlichkeit und Versorgungsbedarf passendes Angebot vermittelt werden und in vielen Fällen gleich eine telemedizinische Behandlung erfolgen, so von Stillfried.

 

Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 10-2023. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!

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