Ist die KI-Software ChatGPT ein Medizinprodukt?

29.05.2023, Prof. Hans Böhme, Healthcare & Hospital Law
Recht, Heilberufe

ChatGPT ist ein KI-gestütztes Sprachmodul, das von OpenAl entwickelt wurde. Es wurde mit einer riesigen Menge von Textdaten aus dem Internet trainiert und kann menschenähnliche Textantworten auf eine bestimmte Eingabeaufforderung generieren. Es kann Fragen beantworten, sich über eine Vielzahl von Themen unterhalten und kreative Schreibstücke erstellen. 

ChatGPT beantwortet auch Fragen aus dem medizinischen Bereich. Da stellt sich die Frage, ob ein solches KI-Tool als Medizinprodukt zu qualifizieren ist. 

Beispiel:
Wenn ChatGPT die Frage gestellt wird  „Ich habe Kopfweh. Was soll ich machen?“, so gibt ChatGPT folgende Antwort: 
„Es tut mir leid zu hören, dass Sie Kopfschmerzen haben. Hier sind einige Tipps, die Ihnen helfen könnten:
1. Nehmen Sie ein Schmerzmittel: Falls Sie keine medizinischen Bedenken haben, können Sie ein Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen einnehmen. Achten Sie jedoch darauf, die empfohlene Dosierung nicht zu überschreiten. (…)“.1

Sofern ChatGPT als Medizinprodukt einzustufen wäre, müsste ein Konformitätsbewertungsverfahren durch eine Benannte Stelle gemäß der EU-Verordnung 2017/745 (MDR) durchgeführt werden. Lediglich bei Medizinprodukten der Risikoklasse I kann der Hersteller die Konformitätsbewertungsverfahren selbst durchführen. In der Regel liegt jedoch Risikoklasse IIa vor, weil der für die Klassifizierung von Medizinprodukten maßgebliche Anhang VIII MDR in Regel 11 bestimmt, dass „Software, die dazu bestimmt ist, Informationen zu liefern, die zu Entscheidungen für diagnostische oder therapeutische Zwecke herangezogen werden“ zur Risikoklasse IIa gehört.

Fraglich ist aber, ob ChatGPT unter den Begriff des Medizinprodukts gemäß Art. 2 Nr. 1 MDR fällt. Danach ist Software ein Medizinprodukt, wenn sie „dem Hersteller zufolge für Menschen bestimmt ist und allein oder in Kombination einen oder mehrere der folgenden spezifischen medizinischen Zwecke erfüllen soll: Diagnose, Verhütung, Überwachung, Vorhersage, Prognose, Behandlung oder Linderung von Krankheiten (…).“ 

Bereits hier ist nach Auffassung des Verfassers kein Medizinprodukt gegeben, wie ja auch ein ärztlicher Ratgeber in einer Zeitung oder einem anderen Medium nicht unter die Begriffe „Diagnose und Therapie“ zu subsumieren ist. Schließlich hat jeder Bürger das Recht, sich selbst zu diagnostizieren und zu therapieren.

Auf die Zweckbestimmung durch den Hersteller kommt es also gar nicht mehr an, wobei der Hersteller (hier OpenAI) einen spezifischen medizinischen Zweck nicht formuliert hat.
Auf eine Klärung durch die Rechtsprechung zu warten, dauert zu lange. Es muss hier und heute Farbe bekannt werden.

Es ist deshalb unverständlich, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sich aufgrund der Beschwerde eines Hamburger Medizinjuristen für unzuständig erklärte, ohne hier Farbe zu bekennen.2
 

 

1 Daniel Tietjen und Ennio Schwind, KI-Software ChatGPT – ein Medizinprodukt?, HCM-Magazin vom 13.04.2023 im Internet aufgerufen am 20.05.2023 unter KI-Software ChatGPT – ein Medizinprodukt? - Health&Care Management (hcm-magazin.de).
2 Dölger, Chatbot ChatGPT – Spielzeug oder Medizinprodukt?, in: Pharmazeutische Zeitung vom 07.02.2023 im Internet aufgerufen am 20.05.2023 unter ChatGPT Spielzeug oder Medizinprodukt (pharmazeutische-zeitung.de).

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