G-BA: Zentren für Intensivmedizin können kommen

23.11.2023, Sven C. Preusker
Krankenhaus, Politik & Wirtschaft, Versorgung, Wissenschaft & Forschung


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Um intensivmedizinische Expertise möglichst fachübergreifend zu nutzen, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) seine Zentrums-Regelungen um den neuen Typ „Zentren für Intensivmedizin“ ergänzt. Damit sollen Krankenhäuser, die künftig als intensivmedizinische Kompetenz- und Koordinierungszentren neben der Patientenversorgung besondere Aufgaben wahrnehmen, dafür finanzielle Zuschläge erhalten. 

Eine wichtige Aufgabe solcher Zentren könnten, so der G-BA, Fallkonferenzen mit anderen Krankenhäusern per Videoübertragung sein, was die Verweildauer von intensivmedizinisch versorgten Patientinnen und Patienten im Krankenhaus verkürzen oder lebensbedrohliche Komplikationen reduzieren könne. Zu den vorgesehenen Aufgaben gehören beispielsweise auch die Beratung anderer Krankenhäuser, die auch über intensivmedizinische Behandlungsmöglichkeiten verfügen, via telemedizinischer Fallkonferenzen und Visiten; die Übernahme einer Mentorenfunktion für andere Krankenhäuser mit eigener Intensivmedizin durch regelmäßige fallunabhängige Qualitätszirkel oder Fort- und Weiterbildungsangebote für vernetzte Krankenhäuser.

Eingeflossen in die neuen Regelungen speziell zu den telemedizinischen Aufgaben sind Erkenntnisse aus dem Projekt „ERIC“ (Enhanced Recovery after Intensive Care), das über den Innovationsfonds beim G-BA gefördert worden war.

Voraussetzungen müssen erfüllt werden

Damit Krankenhäuser als Zentren für Intensivmedizin gelten können, die spezielle zuschlagsfähige Aufgaben übernehmen, müssen sie besondere Voraussetzungen erfüllen. Das umfasst beispielsweise eine 24-stündige Aufnahmebereitschaft für Akutfälle, Personal mit intensivmedizinischem und -pflegerischem Wissen, das Vorhalten von bestimmten Strukturen wie High-Care-Betten, die Verfügbarkeit von bestimmten bildgebenden Verfahren (CT/MRT), aber auch palliativmedizinische Kompetenzen; außerdem psychologische Betreuungsmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten, Angehörige und das Zentrumsteam. Von den Zentren wird zudem erwartet, dass telemedizinische Visiten – Audio- und Videoübertragungen in Echtzeit – täglich durchführbar sind. Außerdem sollen diese Zentren über besondere Maßnahmen zur Qualitätssicherung verfügen. Die Ergänzung der Zentrums-Regelungen tritt nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Die Erweiterung der Zentrumsregelungen kam unter anderem auf Initiative der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und fachlich stark durch die medizinischen Fachgesellschaften unterstützt zustande. Von der DKG hieß es, man begrüße den Schritt sehr und sehe in dieser Erweiterung der Regelung ein wichtiges Signal, um besondere intensivmedizinische Kompetenz und Koordinationsaufgaben durch eine finanzielle Förderung auch regionalen Krankenhäusern in der Fläche zur Verfügung zu stellen und die Versorgung für die Patientinnen und Patienten so umfassend zu verbessern. „Diese gemeinsam von allen Organisationen im G-BA getragene Neuerung wird gerade angesichts des immer enger werdenden Fachkräftepools einen wichtigen Beitrag für eine qualitativ hervorragende Patientenversorgung auch in der Zukunft leisten“, so der Vorstandsvorsitzende der DKG, Dr. Gerald Gaß.

DIVI: Meilenstein in der Patientenversorgung

Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sieht in den neu geschaffenen Möglichkeiten einen Meilenstein in der Patientenversorgung in Deutschland. „Der 19. Oktober 2023 wird in die Geschichte der Intensivmedizin eingehen,“ zeigte sich DIVI-Vizepräsident Prof. Gernot Marx überzeugt. „Wir können jetzt den dringend benötigten Ausbau telemedizinischer Netzwerke vorantreiben und zukünftig gerade kritisch kranken Patienten in kleineren Häusern schnell und unkompliziert helfen,“ so der Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum Aachen.

„Die erfolgreiche Behandlung schwerstkranker intensivpflichtiger Patienten benötigt zwingend eine interdisziplinäre und multiprofessionelle Versorgung“, kommentierte Marx die G-BA-Entscheidung. Entsprechend habe man sich als Fachgesellschaft bereits seit Jahren für die Erweiterung der Zentrumsregeln eingesetzt. Gerade die Versorgung von COVID-19-Patienten in der Pandemie habe den Nutzen von Intensivzentren für Personal und Patienten bereits vor Augen geführt. Der Weg sei deshalb nur konsequent, so Marx. „Wir schlagen ein ganz neues Kapitel auf!“

„Die eigentliche Arbeit beginnt natürlich erst jetzt“, betonte Prof. Uwe Janssens, Generalsekretär der DIVI. Es gelte jetzt, auf Landesebene die intensivmedizinischen Zentren auszuweisen. Marx ergänzte: „Die Zentren für Intensivmedizin müssen die Qualitätsanforderungen des G-BA erfüllen und Aufgaben wie überregionale Versorgung und Vernetzung übernehmen können.“ Hierzu gehöre als eine besondere Aufgabe die Telemedizin.

Aus der G-BA-Entscheidung ergebe sich zudem ein weiterer Arbeitsauftrag, erklärte Prof. Florian Hoffmann, designierter DIVI-Präsident. Er sieht die Zentrumsbildung in der Pädiatrie und pädiatrischen Intensivmedizin als eine der wichtigsten Aufgaben der Zukunft an. Die derzeitigen Versorgungsengpässe seien enorm. Kinder könnten in vielen Regionen Deutschlands in Zeiten von Virus-Wellen zum Beispiel nicht mehr versorgt werden und wären auf überregionale Netzwerke angewiesen.

„Entsprechend ist die G-BA-Entscheidung nicht nur ein großartiger Tag für die Intensivmedizin mit Blick auf die erwachsenen Patienten. Nein, sie ist auch ein Wegweiser für die Kindermedizin“, betonte Hoffmann. Er hoffe entsprechend darauf, dass sich ähnliche Möglichkeiten in absehbarer Zeit für die pädiatrischen Teams und kleinsten Patienten im System eröffnen würden.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und lntensivmedizin (DGAI) lobte den Beschluss. Prof. Benedikt Pannen, Präsident der DGAI und Direktor der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, sagte: „Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat bewiesen, dass eine gesicherte, hochqualitative und flächendeckende intensivmedizinische Versorgung Hauptbestandteil eines resilienten Gesundheitssystems ist. Der Beschluss ermöglicht eine innovative und digital vernetzte Patientenversorgung und gewährleistet, dass Intensivmedizin dauerhaft und strukturell fest verankert zur Stabilität des deutschen Gesundheitssystems beiträgt.“

 

Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 22-2023. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!

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