Digitale Gesundheitsangebote: Bekanntheit muss gesteigert werden, Nutzungspotential ist da

07.12.2023, Sven C. Preusker
Digital Health, Politik & Wirtschaft, Wissenschaft & Forschung

Mit Blick auf die digitale Gesundheitsversorgung herrscht bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern noch eine erhebliche Verunsicherung. Zentrale Elemente der Digitalisierung im Gesundheitswesen sind kaum bekannt oder nur wenig akzeptiert, wie die Ergebnisse einer repräsentativen Verbraucher-Befragung des Beratungsunternehmens Deloitte nahelegen.

Das gilt laut der Ergebnisse insbesondere für die elektronische Patientenakte (ePA). Knapp zwei Jahre nach ihrer Einführung ist sie einem Großteil der Bevölkerung (59 Prozent) bislang kein Begriff, bei älteren Menschen – die am stärksten von der ePA profitieren könnten – trifft dies noch einmal stärker zu. Unter den 55- bis 64-Jährigen kennen 64 Prozent die elektronische Patientenakte nicht; bei den über 65-Jährigen steigt dieser Anteil auf 69 Prozent.

Positiv sei jedoch, dass vom Anteil derer, die die ePA nicht kennen, drei Viertel an einer Nutzung grundsätzlich interessiert wären, wenn sie mehr Informationen dazu hätten, so die Autorinnen und Autoren der Untersuchung. Jeder vierte Befragte war sich sicher, dass er oder sie bestimmt nicht widersprechen werde. Acht Prozent der Befragten geben an, in jedem Fall widersprechen zu wollen. Besonders hervorzuheben sei, so die Autorinnen und Autoren, dass der Anteil der Nutzer, die eine ePA zukünftig nutzen möchten, mit zunehmendem Alter steige. Der Anteil der Über-65-Jährigen, die der ePA nicht widersprechen möchten, liege bei 80 Prozent, was dem Zielwert des Bundesgesundheitsministeriums entspricht. Bei den 18- bis 24-Jährigen liegt der Anteil nur bei 45 Prozent. Dies lasse sich vermutlich durch das höhere Wertversprechen bei älteren und oftmals morbideren Menschen erklären. In Summe erscheine das angestrebte Nutzungsziel von 80 Prozent im Jahr 2025 zwar möglich – es bestünden jedoch signifikante Herausforderungen und Unsicherheiten, ob das Ziel erreicht werden könne.

„Die verbreitete Unkenntnis zeigt, dass umfassende Aufklärung und mehr Informationen über die digitale Gesundheitsversorgung dringend nötig sind“, so Ibo Teuber, Partner bei Deloitte und zuständig für den Gesundheitssektor. In der Studie heißt es, Der hohe Anteil der älteren Menschen ohne Kenntnis zur ePA verdeutliche, dass paradoxerweise weiterhin auch analoge Informationsangebote für die Bewerbung digitaler Tools im Gesundheitswesen nötig seien.

Gegen eine Nutzung der elektronischen Patientenakte spricht für viele Befragte die Sorge um ihre Gesundheitsdaten. Für 75 Prozent derer, die evtl. oder sicher widersprechen würden, sei das der Grund, von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen, heißt es in der Studie. Ein unklarer Zusatznutzen sei für die Hälfte der Befragten Anlass, der ePA zu widersprechen. 

Erheblichen Informationsbedarf gibt es auch bei digitalen Medizinprodukten wie Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs). 57 Prozent der Befragten wissen nach eigenen Angaben nicht, was eine DiGA ist. Das vor drei Jahren eingeführte Angebot ist bei älteren Menschen noch weniger bekannt: 65 Prozent der 45- bis 54-Jährigen und der über 65-Jährigen kennen digitale Gesundheitsanwendungen nicht. 

Die Bereitschaft assistierte Telemedizin als Alternative zu einem physischen Arztbesuch zu nutzen ist dagegen mehrheitlich vorhanden. 58 Prozent der Befragten antworten auf die Frage, ob sie Videosprechstunden in einer Apotheke in Anspruch nehmen würden, mit „Ja, wahrscheinlich“ oder „Ja, bestimmt“. „Für die Patienten bietet Telemedizin einen niederschwelligen Zugang zum Beispiel zu Routineuntersuchungen; für das medizinische Personal kann sie eine erhebliche Entlastung darstellen, die angesichts des Fachkräftemangels dringend nötig ist“, so Teuber.

Gesundheitsdaten: Vertrauen vor allem in die Krankenkassen

Mit Blick auf die Nutzung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken ergibt sich ein interessantes Bild: Aus Sicht der Versicherten sind Krankenkassen der mit weitem Abstand vertrauenswürdigste institutionelle Akteur unter den bekannten Antragsberechtigten beim Forschungsdatenzentrum im Umgang mit Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken ¬¬¬–zwei Drittel der Befragten sind davon überzeugt. Mit einem großen Abstand von mehr als 50 Prozentpunkten folgen dann staatliche Institutionen (wie z.B. Gesundheitsämter), Forschungsinstitute, Technologie-Unternehmen und die private Gesundheitswirtschaft (z.B. Pharma-oder Medizintechnikunternehmen). Eine mögliche Erklärung für das hohe Vertrauen der GKV-Versicherten in Krankenkassen liege darin, so die Autorinnen und Autoren, dass Versicherte aufgrund der langen Historie des Bestehens und der halb-staatlichen Organisationsform als Körperschaft des öffentlichen Rechts über die letzten Jahrzehnte ein großes Vertrauen gewonnen haben. Darüber hinaus seien sich Versicherte womöglich bewusst, dass Krankenkassen viele ihrer Gesundheitsdaten schon seit Jahrzehnten behandelt haben. Insbesondere der Abstand zu Forschungsinstituten überraschte die Autorinnen und Autoren sehr, da diese aufgrund ihres wissenschaftlichen Auftrags eigentlich die höchste Neutralität und Vertrauenswürdigkeit genießen sollten. 

ZVEI-Umfrage: Drei Viertel der Deutschen wollen die ePA

Eine weitere, repräsentative Umfrage des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) aus dem Oktober zeichnet ein etwas anderes Bild: Dem Verband zufolge bewerten rund drei Viertel der Befragten die ePA positiv (71 Prozent), nur 17 Prozent sehen keine Vorteile darin. Die Frage lautete „Finden Sie es positiv, wenn alle Daten zur Diagnose und Behandlung zu Ihrer Person über die ePA gebündelt Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt für die weitere Behandlung zur Verfügung stehen?“ Zustimmung findet die ePa dabei übrigens nicht nur bei gesetzlich, sondern auch bei privat Versicherten. Gleichzeitig müsse die Digitalakte aber einfach zu handhaben sein, so die Autorinnen und Autoren. Ebenfalls drei Viertel der Befragten waren dafür, dass das behandelnde ärztliche Personal bereits im Vorfeld, aber spätestens zu Beginn des Termins von sich aus um Einsicht in die elektronische Akte bittet (76 Prozent). Weiterhin war es 75 Prozent wichtig, dass die medizinischen Daten nach der Untersuchung automatisch und unaufgefordert vom ärztlichen Personal in die ePA eingetragen werden. „Diese Ergebnisse zeigen, dass die Bürgerinnen und Bürger hinter den Digitalisierungsvorhaben der Bundesregierung im Gesundheitssektor stehen. Es ist daher jetzt am Gesetzgeber die Voraussetzungen zu schaffen, um die Erwartungen der Bürginnen und Bürger zu erfüllen“, so Hans-Peter Bursig, ZVEI-Bereichsleiter Gesundheit. 

Die Umfrage zeigte weiterhin, dass Patientinnen und Patienten einerseits die Hoheit über ihre Gesundheitsdaten nicht abgeben und sie zu jeder Zeit einsehen können möchten, andererseits aber auch mit den Daten Forschung und Entwicklung unterstützen würden. 77 Prozent der Befragten war es wichtig oder sehr wichtig, dass sie die Möglichkeit haben, bestimmte Daten in ihrer Akte zu verbergen, auch wenn dadurch wichtige Informationen im möglichen Behandlungsfall nicht zur Verfügung stünden. Zugleich waren 68 Prozent der Befragten bereit, ihre Daten für Forschung und Entwicklung zur Verfügung zu stellen, wenn kein Bezug zu ihrer Person möglich ist und der Verwendungszweck geprüft wurde. „Diese Daten ermöglichen es der Branche, weiterhin zu einer insgesamt verbesserten Gesundheitsversorgung beizutragen. Der Gesetzgeber muss mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz diesen Zugang konsequent offenhalten und verstärken“, so Bursig zu den Ergebnissen.

 

Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 23-2023. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!

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