Pflegekompetenzgesetz angekündigt, vorläufige Eckpunkte vielversprechend

16.01.2024, Sven C. Preusker
Pflege, Politik & Wirtschaft, Versorgung, Gesundheitsversorgung

Ende Dezember hat Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) zusammen mit der Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Christine Vogler, und dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, vorläufige Eckpunkte für ein Pflegekompetenzgesetz vorgelegt. Diese seien in einem Fachgespräch mit allen Beteiligten festgelegt worden und sollen als Diskussionsgrundlage für einen weiteren partizipativen Prozess dienen, hieß es vom Bundesgesundheitsministerium (BMG). Lauterbach betonte, dass sich Ärztinnen und Ärzte und Pflegekräfte gegenseitig in der Arbeit ergänzen müssten – das gehe nur, wenn beide Seiten davon überzeugt seien, dass das richtig sei und gut funktioniere. Er lobte das Gesprächsklima – „das waren nicht mehr die Grabenkämpfe, die es früher gegeben hat, Pflege gegen Ärzteschaft,“ es sei ein kollegiales Miteinander gewesen.

„Pflege darf aktuell weniger als sie kann. Das ist ein riesiges Problem: So verlieren wir potenzielle Pflegekräfte,“ so Lauterbach bei der Vorstellung der Eckpunkte. Die Prämisse müsse aber lauten: ‚Das hochqualifizierte Personal muss Spaß am Beruf haben und die Dinge dürfen, die es kann‘. Der Minister betonte, dass dies auch mit Blick auf Pflegekräfte, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen könnten oder wollten, von Bedeutung sei. 

Laut der vorläufigen Eckpunkte sollen Pflegekräfte gemäß ihren Qualifikationen unter anderem in der Versorgung mehr Kompetenzen bekommen. In der häuslichen Krankenpflege sollen Pflegefachkräfte perspektivisch auch Leistungen verordnen können, z.B. im Bereich der Wundversorgung, Salben oder Katheter. Auch bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit könnten die in der Versorgung tätigen Pflegefachkräfte einbezogen werden. Das Berufsbild der Advanced Practice Nurse Nurse (unter Einbeziehung der Community Health Nurse) soll im Rahmen des Gesetzes in Deutschland etabliert werden. Laut der Eckpunkte soll, wer die Ausübung von Heilkunde in einem Masterstudium gelernt hat, diese auch eigenverantwortlich ausüben können, so z.B. bei der Verordnung von häuslicher Krankenpflege, von Hilfsmitteln oder von bestimmten Arzneimitteln.

Im Papier zu den Eckpunkten heißt es, international seien erweiterte Rollen für Pflegefachpersonen im Krankenhausbereich verbreitet. Damit diese auch in Deutschland umgesetzt werden könnten, sei auch hier ein eigener pflegerischer Handlungsrahmen bis hin zur eigenständigen klinischen Entscheidung von Interventionen erforderlich. Man wolle daher insbesondere auf die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Krankenhäuser zugehen, um zu klären, wie man die Krankenhäuser in diesem Prozess weiter unterstützen könne. 

Geplant ist die Etablierung einer zentralen berufsständischen Vertretung der Profession Pflege auf Bundesebene, die mit Befugnissen zur Weiterentwicklung des Berufsverständnisses und der Berufsrollen mit Empfehlungscharakter (z. B. Muster-Berufsordnung, Muster-Scope of Practice, Muster-Weiterbildungsordnung) ausgestattet werden soll. Darüber hinaus sollen geeignete Beteiligungsrechte bei Prozessen geprüft werden, die berufsständische und pflegerische Fachfragen auf Bundesebene betreffen, z. B. die Entwicklung pflegerischer und interprofessioneller Leitlinien und Versorgungspfade sowie strukturierter Behandlungsprotokolle. Das Amt der/des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung soll durch eine gesetzliche Verankerung gestärkt werden. Da Pflegefachpersonen bei der Sicherstellung gesundheitlich-pflegerischer Akut-, Nach- und Langzeitversorgung in Notfällen, Krisensituationen und Katastrophen von wesentlicher Bedeutung für einen umfassenden Bevölkerungsschutz sind, seien sie regelhaft in Institutionen und Gremien bei der akuten Bewältigung wie bei der Planung und Vorbereitung auf Krisensituationen zu beteiligen (Bundes-, Landes- und regionale Ebene), heißt es in dem Papier.

DBfK: „Potenzial, die Gesundheitsversorgung wirklich zu verbessern“

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) lobte die vorgestellten Eckpunkte zur Erweiterung der Befugnisse von Pflegefachpersonen. „Die Eckpunkte zeigen, dass Bundesgesundheitsminister Lauterbach den Stellenwert professioneller Pflege für die Gesundheitsversorgung der Menschen in Deutschland sieht und jetzt die überfälligen Weichen stellt,“ sagte Bernadette Klapper, Bundesgeschäftsführerin des DBfK. „Eine der wesentlichen Aufgaben der professionellen Pflege ist es, Pflegebedürftigkeit zu verhindern bzw. zu vermindern. Die eigenverantwortliche Verordnung häuslicher Krankenpflege und der Vorstoß, die Feststellung von Pflegebedürftigkeit in die Hände von Pflegefachpersonen zu legen, ist eine wichtige Grundlage, dieser Aufgabe nachzukommen“, so Klapper. Der Verband sieht darin auch viel Potenzial, Bürokratie und redundante Arbeitsprozesse zu reduzieren.

Besonders positiv hervorzuheben sei, dass die Kompetenzerweiterung in der Pflege in einem vierstufigen Modell angedacht ist, dass Pflegefachpersonen mit Ausbildungsabschluss, weiteren Fortbildungen und akademischen Abschlüssen berücksichtigt, wodurch gleichzeitig ein durchlässiges Karrieremodell entstehe.

Die Eckpunkte würden auch die langjährige Forderung des DBfK enthalten, die Berufsbilder der Advanced Practice Nurse einschließlich der Community Health Nurse einzuführen und dabei internationalen Vorbildern zu folgen. Das bedeute, dass die selbständige Ausübung heilkundlicher Aufgaben ermöglicht werden soll. „Angesichts der ansteigenden Pflegebedarfe in der Bevölkerung bei gleichzeitig sinkender Fachkräftezahl ist es extrem wichtig und sinnvoll, in die vorhandenen Fachkräfte zu investieren, ihre Kompetenzen und Rollen zu erweitern und ihnen zu ermöglichen, ihr volles Potenzial in Anwendung zu bringen“, so Klapper. Ebenso beurteile man die Stärkung der berufsständischen Vertretung als wichtigen Schritt in die richtige Richtung.

„Wir sehen das Potenzial, die Gesundheitsversorgung wirklich zu verbessern“, so Klappers Fazit. „Zusammen mit dem ebenfalls in Vorbereitung befindlichen Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz, das die Einführung von Gesundheitskiosken und Primärversorgungszentren beinhaltet, kann eine Versorgung entstehen, die den Herausforderungen gerecht wird. Wir hoffen sehr, dass der eingeschlagene Weg jetzt konsequent verfolgt wird und begleiten gerne die weitere Ausarbeitung und den Prozess.“

Bündelung unter dem Dach der Hausarztpraxis?

Etwas kritischer äußerte sich die Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth: „Es ist grundsätzlich richtig, die Pflege zu stärken und die Kompetenzen der Fachkräfte noch breiter einzusetzen. Entscheidend wird am Ende die konkrete Umsetzung sein. Nach der heutigen Runde im Bundesgesundheitsministerium, bleiben eine Vielzahl zentraler Fragen unbeantwortet,“ sagte sie. Das betreffe Themen wie Budgetverantwortung, Haftung oder die Grenzen, innerhalb derer eine Übertragung von Versorgungsaufgaben stattfinden kann.

Als Verband setze man sich schon seit langem für eine umfassendere Delegation unter dem Dach der Hausarztpraxis ein, so Buhlinger-Göpfarth. „Unsere große Sorge ist jedoch, dass durch das geplante Reformvorhaben die Versorgung der einzelnen Patientin oder des Patienten noch unübersichtlicher wird als ohnehin schon, denn neben Hausärzten, Fachärzten, Krankenhäusern usw. werden dann auch Pflegekräfte mit erweiterten Kompetenzen die Patientinnen und Patienten eigenständig versorgen.“ Der Verband plädiere dafür, den Pflegekräften und anderen Gesundheitsfachkräften mehr Kompetenzen zu übertragen, die Verantwortung aber unter dem Dach der Hausarztpraxis zu bündeln. So könne sichergestellt werden, dass die Versorgung nicht noch weiter zersplittert werde. 

Reaktionen überwiegend positiv

Viele weitere Verbände beurteilten die vereinbarten Eckpunkte positiv, so zum Beispiel der Katholische Krankenhausverband Deutschland (kkvd). Dessen Geschäftsführerin Bernadette Rümmelin sagte: „Wir begrüßen jede Maßnahme, die die Pflegeversorgung weiter verbessert. Pflege ist eine zentrale Aufgabe im Krankenhaus. Deshalb ist moderne Pflege multiprofessionell und basiert auf einem geeigneten Grade-Skill-Mix. Die Patientinnen und Patienten profitieren von einem breit aufgestellten Versorgungsteam, in dem sich alle Kompetenzen ergänzen. Die im Pflegeberufegesetz erwähnten Vorbehaltsaufgaben schlagen einen Pflock ein, an dem ein Handlungsrahmen aufgebaut werden kann und muss.“

 

Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 1-2024. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!

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