Pflegepersonalbedarf in Bayern: Kipppunkt vermutlich noch in diesem Jahrzehnt

17.01.2024, medhochzwei
Pflege, Politik & Wirtschaft, Wissenschaft & Forschung

Die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) hat jetzt die Ergebnisse der Monitoring-Studie „Pflegepersonalbedarf Bayern 2023“ präsentiert. Die Studie wurde wie bei ihrem ersten Durchlauf im Pandemiejahr 2020 im Auftrag der VdPB federführend durchgeführt von Prof. Dr. Michael Isfort von der Dienstleistung, Innovation, Pflegeforschung GmbH (DIP) und Prof. Dr. Thomas Klie von der AGP Sozialforschung. Die Ergebnisse würden auf der einen Seite zwar durchaus Hoffnung wecken, aber andererseits auch Anlass zur Sorge geben, so die VdPB: Während sich die 2020 neu eingeführte generalistische Pflegeausbildung gemessen an den stark sinkenden Zahlen von Absolventinnen und Absolventen allgemeinbildender Schulen und gegenüber anderen Ausbildungsberufen laut der Ergebnisse als verhältnismäßig robust erwiesen hat, reichen die Bemühungen um die Pflegeausbildung bislang bei weitem nicht aus. Voraussichtlich noch in diesem Jahrzehnt wird es in Bayern bereits zu einem kritischen Kipppunkt kommen, wenn die Zahl der erfolgreichen Ausbildungsabschlüsse die Zahl der Renteneintritte von Pflegefachpersonen nicht mehr ausgleichen kann. Eine laut VdPB-Präsident Georg Sigl-Lehner beunruhigende Perspektive: „Die Ergebnisse unserer Monitoringstudie widerlegen zwar deutlich den Mythos vom sogenannten Pflexit, der den Ausstieg aus dem Pflegeberuf als signifikante Größe zu beschreiben versucht, aber sie zeigen eben auch, dass wir selbst bei steigender Ausbildungskapazität schon in wenigen Jahren nicht mehr so viele Pflegefachpersonen in den Beruf bringen, wie uns die Demografie kosten wird, wenn die Boomer-Jahrgänge in Rente gehen. Das bedeutet nicht nur, dass wir um jeden Ausbildungsplatz kämpfen müssen, der uns beispielsweise durch schließende Krankenhäuser verloren gehen könnte. Das heißt auch, dass wir die personellen Ressourcen, die wir haben, viel besser nutzen müssen.“

Als wichtigen Impuls werten dabei sowohl die Studienautoren als auch die VdPB das von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) angekündigte Pflegekompetenzgesetz – siehe auch der Hintergrundbeitrag in dieser Ausgabe des medhochzwei-Newsletters. Die dazu vorgestellten Eckpunkte setzen auf neue Rollenprofile, mehr Eigenständigkeit und eine klare Profilierung eines autonomen Verantwortungsbereichs, wie er in den vorbehaltenen Aufgaben für Pflegefachpersonen im Pflegeberufegesetz bereits verankert und der Fachpflege rechtlich zugesichert ist. „Die Eigenständigkeit der Profession Pflege und das eigenständige Kompetenzprofil von Pflegefachpersonen auf der Grundlage der ihnen vorbehaltenen Aufgaben wird umso relevanter, je mehr wir es heute und vor allem in der Zukunft mit einem dramatischen Fachkräftemangel zu tun haben werden“, sagte Studienautor Thomas Klie.

Die Studie nimmt auch die Anerkennung beruflich Pflegender aus Drittstaaten in den Blick und beobachtet eine leichte Verschiebung der bisherigen Schwerpunkte in den Metropolen hin zu anderen Regionen, in denen Zuwanderung bei den Pflegeberufen an Bedeutung gewinnt. Ein weiterer Fokus der Untersuchung liegt auf der Pflegeassistenz, die insbesondere mit der verpflichtenden Umsetzung von Personalbemessungssystemen in der stationären Langzeitpflege eine dynamische Entwicklung nehmen könnte, sofern auch in diesem Bereich die Ausbildungskapazitäten ansteigen.

„Wir wollen mit dieser Studie und den sich aus ihr ergebenden Perspektiven selbstverständlich nicht nur die Politik und andere Akteure zum Handeln bewegen, sondern nehmen auch für uns selbst die Herausforderung mit, das Kompetenzprofil der professionellen Pflege noch differenzierter darzustellen und zu kommunizieren, um die öffentliche Wahrnehmung entsprechend zu beeinflussen. Die Fehlvorstellungen über die Pflege sind weit verbreitet. Selbst in der eigenen Berufsgruppe gilt es, Bild und Profil professioneller Pflege zu schärfen. Die berufliche Praxis wird zudem durch Rahmenbedingungen beeinflusst, die einer eigenständigen und eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung der professionellen Pflege entgegenstehen. Das zu ändern und eine Entwicklung zu initiieren sehen wir bei der VdPB als klaren Auftrag an uns“, so Sigl-Lehner.

Die Studie steht hier zum Herunterladen zur Verfügung (Pdf-Datei).

Anzeige
Anzeige