Neufassung der Medizinprodukte-Betreiberverordnung laut Regierungsentwurf vom 03.11.2023

30.01.2024, Prof. Hans Böhme, Healthcare & Hospital Law
Recht, Politik & Wirtschaft, Krankenhaus

Am 03.11.2023 hat das Bundesgesundheitsministerium den Regierungsentwurf einer Dritten Verordnung zur Änderung medizinprodukterechtlicher Vorschriften vorgestellt.1 Insbesondere soll die Medizinprodukte-Betreiberverordnung geändert werden.

Im Regierungentwurf steht dazu:
„Mit der Verordnung wird der Anwendungsbereich der Verordnung erweitert. Darüber hinaus soll der Dokumentations- und Prüfaufwand bei risikoarmen, durch die Krankenkassen bereitgestellten Produkten reduziert werden. Für Produkte in Form einer Software mit erhöhtem Risikopotenzial werden Prüfvorgaben eingeführt.“

Folgende Neuerungen sind geplant:

  1. Der Anwendungsbereich soll auf die in Anhang XVI der Verordnung (EU) 2017/745 aufgeführten und unter den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallenden Produkte sowie In-vitro-Diagnostika und ihr Zubehör erweitert werden.

  2. Neben dem Betreiber im physischen Sinne wird die verantwortliche Person im Hinblick auf die rechtliche Verantwortung eingeführt und neben dem Anwender der neue Begriff Benutzer, weil der Anwender in der Verordnung (EU) 2017/745 definiert ist. Nach deren Artikel 2 Nr. 37 bezeichnet „Anwender“ jeden Angehörigen der Gesundheitsberufe oder Laien, der ein Medizinprodukt anwendet – eigentlich eine Tautologie.

  3. § 4 Absatz 1 MPBetreibV soll ersatzlos gestrichen werden. In der Regierungsbegründung steht dazu: „Dass das Betreiben und Anwenden der Produkte nur nach den Vorschriften der MPBetreibV und nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erfolgen darf, ergibt sich bereits aus den sonstigen Vorschriften der MPBetreibV. Darüber hinaus sollen das Betreiben und Anwenden nicht mehr durch die vorgegebene Zweckbestimmung per gesetzlicher Verordnung eingeschränkt werden. Dies dient der Behebung von Versorgungslücken in Bereichen, in denen aufgrund herstellerseitiger Wirtschaftlichkeitserwägungen keine bzw. nur eine geringe Anstrengung zur Entwicklung und Herstellung von Produkten erfolgt (vor allem bei der Behandlung seltener Krankheiten sowie von Neugeborenen und Kindern).“ Damit wird Off-Label-Use ebenso wie bei Medikamenten auch bei Medizinprodukten in größerem Umfang ermöglicht, was allerdings nicht bedeutet, dass die anderen technischen Regeln der Medizintechnik einzuhalten sind, sodass es bei Medizinprodukten immer der Freigabe durch die Medizintechnik bedarf.

  4. Beim Einweisungsmanagement soll klargestellt werden, dass dies auch für Software gilt, und zwar auch nach jeder Installation von Softwareaktualisierungen, die mit einer wesentlichen Änderung der Software einhergehen.

  5. Nach dem neu formulierten § 4 Absatz 2, bisher Absatz 3, MPBetreibV ist eine Einweisung nicht erforderlich, wenn für das Produkt eine Gebrauchsanweisung nach der Verordnung (EU) 2017/745 oder (EU) 2017/746 entbehrlich ist oder eine Einweisung bereits in ein baugleiches Produkt erfolgt ist. Der Begriff „selbstklärend“ wird damit konkretisiert.

  6. Weiterhin soll im neuen § 4 Absatz 3 MPBetreibV die Einweisung in die ordnungsgemäße Handhabung aktiver nicht implantierbarer Produkte dann nicht dokumentiert werden müssen, wenn diese Produkte aufgrund einer Veranlassung des Versorgenden durch einen Dritten bereitgestellt werden. In der Regierungsbegründung steht dazu: „Die Vorgabe, dass die Einweisung für alle aktiven nicht implantierbaren Produkte zu dokumentieren ist, stellt im Bereich der Versorgung mit Hilfsmitteln, die auf Veranlassung der Krankenkasse, Pflegekasse oder privater Krankenversicherungsunternehmen durch einen Dritten bereitgestellt werden, einen erheblichen Bürokratieaufwand dar. Die Patientensicherheit wird durch das Aufheben der Vorgabe nicht verschlechtert, da die diesem Zwecke dienende Einweisung weiterhin erforderlich bleibt.“

  7. In § 4 MPBetreibV soll ein neuer Absatz 8 angefügt werden: „Werden vernetzte Produkte betrieben und angewendet, hat die verantwortliche Person zum Schutze dieser Produkte die nach dem Stand der Technik angemessenen technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung der Informationssicherheit zu ergreifen. Dabei sollen die Angaben des Herstellers berücksichtigt werden. Satz 1 gilt als erfüllt, wenn diese Maßnahmen bereits aufgrund einer anderen gesetzlichen Pflicht getroffen wurden.“ In der Regierungsbegründung wird dazu ausgeführt: „Der neu geschaffene Absatz 8 dient der Sicherheit vernetzter Produkte. Hintergrund ist der zunehmende Einsatz vernetzter Produkte in sämtlichen Bereichen der Gesundheitsversorgung. Diese gestiegene Interkonnektivität birgt neue Risiken für das sichere Betreiben und Anwenden von Produkten […] Um diesen Gefahren zu begegnen, wird von der verantwortlichen Person die Etablierung grundlegender Mindeststandards verlangt, die der Sicherheit des Netzwerkes dienen […]“.

  8. Bei den besonderen Anforderungen nach § 5 MPBetreibV für Instandhalter, Aufbereiter usw. soll in Absatz 1 ein Satz mit folgenden Inhalt angefügt werden: „Die zuständige Behörde ist befugt, die Erfüllung der Voraussetzungen bei von der verantwortlichen Person beauftragten Personen, Betrieben und Einrichtungen zu kontrollieren.“ Damit wird klargestellt, dass sich die Überwachungsbefugnis der zuständigen Behörden nach § 77 MPDG auch auf von Gesundheitseinrichtung mit den in § 5 genannten Tätigkeiten beauftragten Personen, Unternehmen und Einrichtungen erstreckt, so die Regierungsbegründung. 

  9. Die Zertifizierung der besonderen Anforderungen nach § 5 MPBetreibV scheitert an den fehlenden zertifizierenden Stellen, weshalb Absatz 2 wie folgt neu gefasst werden soll: „Wer beabsichtigt, eine der in Absatz 1 genannten Tätigkeiten durchzuführen, kann dies der zuständigen Behörde vor Aufnahme der Tätigkeit anzeigen und auf Verlangen der zuständigen Behörde nachweisen, dass die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt werden. Die zuständigen Behörden führen eine gemeinsame Liste aller Anzeigen nach Satz 1, für welche sie die Voraussetzungen nach Absatz 1 als erfüllt betrachten. Die zuständigen Behörden haben die Liste zu veröffentlichen.“

  10. In § 6 Absatz 1 MPBetreibV soll für Klinikverbünde und Unternehmen mit mehr als einem Standort klargestellt werden, dass jede Einzeleinrichtung mit mehr als 20 Beschäftigten einen Beauftragten für Medizinproduktesicherheit bestimmen muss, wobei in der Regierungsbegründung darauf hingewiesen wird, dass in einem begrenzten Rahmen die Mehrfachbenennung einer Person für verschiedene Standorte denkbar ist, soweit die regelmäßige Präsenz der Person in den Gesundheitseinrichtungen sichergestellt werden kann.

  11. Bei der Neufassung des § 7 MPBetreibV soll für Software klargestellt werden, dass ihre Instandhaltung auch die Installation verfügbarer Softwareupdates umfasst, wie Fehlerbehebung, Sicherheitspatches, Verbesserung der Gebrauchstauglichkeit oder der Betriebseffizienz. So soll Sicherheit beim Einsatz von Software und vernetzter Produkte gewährleistet werden. Im Übrigen wird klargestellt, dass sich die Instandhaltung auch auf miteinander verbundene Produkte und mit dem Produkt verbundene Gegenstände erstreckt, zudem handelt es sich um Folgeänderungen aufgrund der Änderungen in § 1 Absatz 1 sowie § 2 Absatz 2. 

  12. Mit der Überführung der Absätze 4, 5 und 6 des § 8 MPbetreibV in einen neuen § 8a ist die Aufbereitung von wiederverwendbaren Produkten in § 8 geregelt und die Aufbereitung von Einmalprodukten gemäß Artikel 17 der Verordnung (EU) 2017/745 im neuen § 8 a MPBetreibV. 

  13. Messtechnische Kontrollen sollen nicht mehr für Messgeräte zur nicht invasiven Blutdruckmessung, die der Hersteller für die Anwendung durch Laien vorsieht und die aufgrund einer Veranlassung des Versorgenden durch einen Dritten einem Patienten bereitgestellt werden, durchgeführt werden. In der Regierungsbegründung steht dazu: „Blutdruckmessgeräte, die der Hersteller für die Anwendung durch Laien vorsieht, werden im Jahr tausendfach durch die betroffenen Personen an Patienten abgegeben. Der Kostenfaktor einer messtechnischen Kontrolle ist im Verhältnis zum Anschaffungswert eines neuen Blutdruckmessgeräts unverhältnismäßig hoch. Die betroffenen Unternehmen sahen sich daher dazu gezwungen, die Blutdruckmessgeräte alle 2 Jahre auszutauschen. Dies ist aus Gründen der Nachhaltigkeit unverhältnismäßig."

  14. Die Schaffung eines neuen § 16 unter der Überschrift „Besondere Pflichten bei Produkten in Form einer Software der Klasse IIb und III“ soll dazu dienen, dem besonderen Risikopotenzial der benannten Produkte zu begegnen. In der Regierungsbegründung wird ausgeführt, dass einbezogen sind „solche Produkte in Form einer Software, die im Falle einer Fehlfunktion den Tod oder eine irreversible Verschlechterung des Gesundheitszustands einer Person oder aber eine schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands einer Person oder einen chirurgischen Eingriff verursachen können sowie Software, die für die Kontrolle von vitalen physiologischen Parametern bestimmt ist, wobei die Art der Änderung dieser Parameter zu einer unmittelbaren Gefahr für den Patienten führen könnte. Angesichts dieser mit der Nutzung einer derartigen Software verbundenen Risiken muss deren störungsfreie Funktionsfähigkeit sowie korrekte Bedienung möglichst weitgehend gewährleistet sein. Die Anforderung gilt nicht für Software, die selbst kein Produkt ist (z. B. Steuerungssoftware als fester Bestandteil eines anderen Medizinproduktes).“

  15. In Anlage 1 (zu § 10 Absatz 1 und 2, § 11 Absatz 1 und § 12 Absatz 1) sollen unter 1.5 Schlafapnoe-Therapiegeräte ausdrücklich ausgenommen werden. In der Regierungsbegründung steht dazu: „Im Gegensatz zu Beatmungsgeräten, welche zur Behandlung der ventilatorischen Insuffizienz eingesetzt werden, da je nach Ausprägung der ventilatorischen Insuffizienz der Ausfall des Beatmungsgerätes unmittelbar oder mit einer zeitlichen Latenz zu einer lebensbedrohlichen Hypoventilation führen kann, ist das Risikopotenzial von Schlafapnoe-Therapiegeräte, die nur zur Behandlung von schlafbezogenen Atmungsstörungen konzipiert sind, deutlich geringer. Schlafapnoe-Therapiegeräte werden nur bei Patienten angewendet, die eine dauerhaft ausreichende Spontanatmungsfähigkeit haben und keine Beatmungsunterstützung benötigen. Der applizierte positive Atemwegsdruck wird in der Regel zum Offenhalten der oberen Atemwege genutzt, nicht zur Ventilationsunterstützung. Ein technischer Ausfall dieser Geräte führt daher zu keiner lebensbedrohlichen Ventilationsfunktionsstörung. Das geringe Risikopotenzial rechtfertigt eine Ausnahme von Anlage 1.“

Es ist anzunehmen, dass noch dieses Jahr die neue MPBetreibV nach Zustimmung des Bundesrats in Kraft treten wird.
 

 

1 Referentenentwurf Bundesministerium für Gesundheit - Dritte Verordnung zur Änderung medizinprodukterechtlicher Vorschriften (bundesgesundheitsministerium.de) im Internet aufgerufen am 08.01.2024.

 

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