Simulationsbasiertes Lehren und Lernen in der Pflegebildung

08.02.2024, Prof. Dr. Johannes Gräske, Theresa A. Forbig
Pflege, Interviews & Kommentare

Theresa A. Forbig, Prof. Dr. Johannes Gräske

Mit der Einführung des Pflegeberufegesetzes konnte das simulationsbasierte Lehren und Lernen einen Aufschwung erfahren, weshalb es als Motor für die Weiterentwicklung der Simulationsaktivitäten in der Pflegebildung angesehen werden kann. So kann auf Antrag ein geringer Anteil der praktischen Ausbildungsanteile durch praktische Lerneinheiten, wie Simulationen ersetzt werden (§ 38 Abs. 3 PflBG). Die zunehmende Bedeutung von Skills-Training und Simulation auf nationaler Ebene zeigt sich in den verschiedenen Pflegebildungskontexten, mit einer einhergehenden zunehmenden Annäherung an internationale Standards. Wenngleich spezifische simulationspädagogische Ausbildungen in der deutschen Pflegebildung noch nicht flächendeckend etabliert sind, so zeigen sich Lehrende sehr motiviert im Bereich der Simulationspädagogik (Forbrig et al., 2023).

Simulationsbasiertes Lernen in der Pflegeausbildung zeigt weltweit positive Effekte in der Kompetenzbildung bei Lernenden. Es kann die Entwicklung des klinischen Urteilsvermögens, kritischen Denkens, pflegerischen Wissens und weiterer Fertigkeiten fördern (Daniels, 2018; Hayden et al., 2014). Um jene Effekte zu erreichen, bedarf es einer evidenzbasierten Konzeption und Durchführung der simulationsbasierten Lehreinheiten (Morse et al., 2019). Um die Evidenzbasierung in der Simulationslehre zu fördern sind Standards of Best Practice von der International Nursing Association for Clinical Simulation and Learning (INACSL) entwickelt worden, die regelmäßig evaluiert werden. Ziele der INACSL sind ferner, die Weiterentwicklung der Simulationsmethodologie, z. B. in der Gestaltung, Durchführung und Evaluation von einzelnen Simulationsmethoden auf einem hohen pädagogischen Standard zu fördern (Sittner et al., 2015). Komplexe Simulationen von Pflegesituationen werden entsprechend der Standards of Best Practice der INACSL in die Phasen Prebriefing, Durchführung, Debriefing und Evaluation unterteilt.

Die geplante, strukturierte Simulation ist eine Lehr- und Lernmethode, in der Lebens- und Pflegesituationen realistisch nachgestellt werden können, um somit eine geschützte Lernumgebung zu bieten (Waxmann, 2010). Der enorme Wert des simulierten Lernens ist die und die Entwicklung einer reflektierten Fehlerkultur, da die Handlungsfähigkeit in einem geschützten Raum verbessert wird, ohne dabei die Patient*innensicherheit zu gefährden (Nagle et al., 2009). Systematisch ins Curriculum einer Lehr-/Lerneinrichtung integrierte Simulationsübungen ermöglichen das Erreichen festgelegter Lernziele, die Anwendung zuvor theoretisch erlernten Wissens und können den späteren Theorie-Praxis-Transfer erleichtern. Um simulationsbasiertes Lehren und Lernen im Curriculum zu verankern, bedarf es eines Konzeptes, welches sich u. a. mit Lerntheorien auseinandersetzt, die für dieses Lehrformat herangezogen werden sollen. Die Beachtung der Standards der INACSL liefert dabei eine mögliche Grundlage. Ferner sollte eine Auseinandersetzung mit der Vielfalt der Lehrmethoden im simulationsbasierten Lernen stattfinden, darunter beispielsweise interprofessionelle Simulationen, Virtual Reality, Augmented Reality, Simulationspersonen und die Integration von Praxisanleiter*innen. Die Auswahl obliegt jeweils neben curricularen Überlegungen, wie zu erreichende Kompetenzziele, wie auch finanziellen und strukturellen Abwägungen. Dazu gehört z. B. die zur Verfügung stehende Ausstattung in Bezug auf geschultem Personal, Geräten und weiteren Ausstattungsmerkmalen. Simulationsbasierte Lehre kann aber auch eine Fokussierung auf sogenannte Mangelbereiche wie pädiatrische oder psychiatrische Settings möglich machen, in denen Lernende geringe Einblicke während der Pflichteinsätze erhalten. Außerdem können Themen wie diversitysensible Pflege angebahnt werden. Überlegungen zur Pflegeberatung und -anleitung können ebenfalls im Themenspektrum enthalten sein. Darüber hinaus sollte eine intensive Auseinandersetzung mit fairen und standardisierten Bewertungs- und Prüfungsmodalitäten für die Evaluierung von Kompetenzen erfolgen.

Literatur:

  • Daniels, A. L. (2018). Clinical Simulation in Prelicensure Nursing Students: Improving Learning Outcomes in Psychologically Safe Learning Environments. University of Maryland. Baltimore.
  • Forbrig, T. A. et al. (2023): Stand der Umsetzung des simulationsbasierten Lehrens
  • in Deutschland. Eine Querschnittsstudie. Pflege (2023), 1–9. https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000960
  • Hayden, J. K., Smiley, R. A., Alexander, M., Kardong-Edgren, S., & Jeffries, P. R. (2014). The NCSBN National Simulation Study: A Longitudinal, Randomized, Controlled Study Replacing Clinical Hours with Simulation in Prelicensure Nursing Education. Journal of Nursing Regulation, 5(2), S3-S40. https://doi.org/10.1016/s2155-8256(15)30062-4
  • Morse, C., Fey, M., Kardong-Edgren, S., Mullen, A., Barlow, M., & Barwick, S. (2019). The Changing Landscape of Simulation-Based Education. American Journal of Nursing, 119(8), 42-48. https://doi.org/10.1097/01.Naj.0000577436.23986.81
  • Nagle, B., M. et al. (2009): Incorporating Scenario-Based Simulation into a Hospital Nursing Education Program. In: The Journal of Continuing Education in Nursing 40(1)/2009, S. 18–25.
  • Sittner B., J. et al. (2015). INACSL Standard of Best Practice for Simulation: Past, Present, and Future. In: Nursing Education Perspective 36(5)/2015, S. 294.
  • Waxmann, K. T. (2010): The Development of Evidencebased Clinical Simulation Scenarios: Guidelines for Nurse Educators. In: Journal of Nursing Education 49(1)2010, S. 29–35.

 

Prof. Dr. Johannes Gräske ist Professor für Pflegewissenschaft an der Alice Salomon Hochschule Berlin und leitet dort derzeit den primärqualifizierenden Bachelorstudiengang Pflege. Seine Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind die Weiterentwicklung des Pflegeberufes sowie die Versorgung älterer Menschen.
Theresa A. Forbrig ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Alice Salomon Hochschule Berlin im primärqualifizierenden Bachelorstudiengang Pflege. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist die wissenschaftliche (Weiter-)Entwicklung des Pflegestudienganges und insbesondere der Lehre im Skills Lab.

Theresa A. Forbig und Prof. Dr. Johannes Gräske sind Herausgeber von Simulationsbasiertes Lehren und Lernen in der Pflegebildung. Mehr Informationen finden Sie hier.

 

Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 02-2024. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!

 

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