Healthcare-Barometer zeigt abnehmendes Vertrauen in Reformkraft des Gesundheitswesens

22.02.2024, medhochzwei
Politik & Wirtschaft, Versorgung, Wissenschaft & Forschung, Heilberufe, Gesundheitsversorgung

Die Verzögerungen bei der Krankenhausreform, wachsender Personalmangel, teils lange Wartezeiten auf Facharzttermine und andere Schwierigkeiten haben inzwischen auch Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Qualität des deutschen Gesundheitssystems in der Bevölkerung. Nur noch 52 Prozent der Deutschen zählen laut dem Healthcare-Barometer 2024 ihr Gesundheitswesen zu den Top-drei-Systemen der Welt. Gegenüber dem Vorjahr ist der Wert um fünf Prozentpunkte gesunken, gegenüber 2020 sogar um 20 Prozent. 33 Prozent zählen das deutsche Gesundheitssystem explizit nicht unter die Top drei – der schlechteste Wert seit dem ersten Healthcare-Barometer 2014. Die Hoffnung, dass die geplanten Reformen im Gesundheitswesen daran etwas verändern können, ist nur schwach ausgeprägt: Lediglich acht Prozent sind sehr zuversichtlich, dass die Reformen das Gesundheitswesen voranbringen werden; 25 Prozent bezeichnen sich als eher zuversichtlich. Das sind einige der Ergebnisse des „Healthcare-Barometers 2024“, einer repräsentativen Befragung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland unter 1.000 Bürgerinnen und Bürgern. PwC veröffentlicht die Befragung bereits zum zehnten Mal in Folge.

Als einen der wesentlichen Faktoren für die Unzufriedenheit machen die Autorinnen und Autoren der Studie die Personalknappheit aus: Drei Viertel der Befragten zählen laut der Befragung den Fachkräftemangel zu den größten Herausforderungen des Gesundheitswesens – weit vor der Sicherung der Versorgungsqualität (51 Prozent) und vor Defiziten im ländlichen Raum (47 Prozent). Gegensteuern lässt sich aus Sicht der Bevölkerung nur dann, wenn die Rahmenbedingungen in der Branche verändert werden.

„Das Vertrauen der Deutschen in die Leistungs- und Reformkraft des Gesundheitssystem schwindet. Darin spiegelt sich die Unsicherheit in der deutschen Bevölkerung wider. Erfahrungen wie Engpässe in der Medikamentenversorgung, Fachkräftemangel und Ärztestreiks schüren die Unzufriedenheit. Auffällig ist, dass die Zuversicht unter jüngeren Menschen ausgeprägter ist als in der älteren Generation ab 55 Jahren. Offenkundig macht sich bei älteren Menschen eine Art Reformmüdigkeit bemerkbar,“ so Roland Werner, Leiter Gesundheitswirtschaft & Pharma bei PwC Deutschland.

Personalknappheit und vor allem Zeitdruck machen sich auch in der Bewertung der ärztlichen Behandlungen bemerkbar. Die Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Behandlungsqualität ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich leicht gesunken und liegt aktuell bei 35 Prozent (Vorjahr: 37 Prozent). Der wesentliche Kritikpunkt ist, dass Ärztinnen und Ärzte sich zu wenig Zeit nehmen, was 40 Prozent bemängeln – vier Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Weitere Kritikpunkte betreffen den Umgang mit den Patientinnen und Patienten sowie die Öffnungszeiten von Praxen, die insbesondere Berufstätige als nicht zu ihren Bedürfnissen passend bezeichnen. Telemedizinische Sprechstunden befürworten 72 Prozent der Befragten, 57 Prozent würden auf jeden Fall Video-Sprechstunden nutzen.

Wertung von Krankenhäusern auf Vor-Pandemie-Niveau

Die Zufriedenheit mit der Krankenhausversorgung hingegen hat sich gegenüber dem Vorjahr minimal verbessern können und liegt aktuell bei 52 Prozent (Vorjahr: 51 Prozent). Damit haben sich die Werte laut PwC wieder auf das Niveau vor der Covid19-Pandemie eingependelt – 2020 bewerteten 72 Prozent der Befragten die Krankenhausversorgung als „sehr gut“ (21 Prozent) oder „gut“ (51 Prozent). Mit Blick auf die zu erwartende, stärkere Spezialisierung der Krankenhauslandschaft mit der bevorstehenden Krankenhausreform wären 77 Prozent bereit, für einen komplexen oder aufwändigen Eingriff weite Strecken in Kauf zu nehmen.

Die höchsten Zufriedenheitswerte der Bürgerinnen und Bürger sind bei den Krankenkassen zu finden– sie bekommen wie im Vorjahr 87 Prozent Zustimmung. Ähnliche viele Befragte bestätigen mit 83 Prozent, dass ihnen alle wichtigen Leistungen gewährt werden. Ebenso ist das Vertrauen in die Transformationskraft der Krankenkassen relativ hoch – mehr als die Hälfte halten sie in puncto Digitalisierung und Innovation für fortschrittlich. 

Ebenso wie die Krankenhäuser konnte auch die Pharmaindustrie während der Pandemiezeit einen Imagegewinn verbuchen. Ihr ist es gelungen, diesen Zuwachs zu halten: 31 Prozent bewerten sie als innovative Wirtschaftssparte, die einen Beitrag zur Heilung von Krankheiten leiste. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 lag dieser Wert bei 19 Prozent. Die Erwartung an weitere Innovationen ist hoch – so erwarten 59 Prozent, dass die Unternehmen neue Medikamente entwickeln. Eine wichtige Rolle spielt auch die Herkunft der Produkte: 57 Prozent wünschen sich eine Produktion innerhalb Europas. „Offenbar spielt dabei auch die Erfahrung von Lieferengpässen auf dem globalen Markt eine Rolle, denn die Sorge um die mangelnde Verfügbarkeit von Arzneimitteln ist hoch, wie zwei Drittel der Menschen angeben“, so Werner.

Bereitschaft zum Teilen von Gesundheitsdaten ist hoch

Das Daten ein wichtiges Gut in der medizinischen Forschung sind, scheint den meisten Menschen in Deutschland bewusst zu sein. So erklären sich acht von zehn Versicherten dazu bereit, ihre Informationen der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen. Die Hälfte erwartet allerdings eine Gegenleistung in Form von Entgelt oder Mehrwert. Den Datenschutz halten nur sechs Prozent für eine Herausforderung. Schaut man auf die Befragungsergebnisse, ist beim Opt-Out-Verfahren zur elektronischen Patientenakte (ePa) noch mehr Aufklärung notwendig: Bislang unterstützen nur 35 Prozent das Opt-Out-Verfahren uneingeschränkt. 18 Prozent wünschen sich eine explizite Einwilligung zu Teilnahme an der ePa; 27 Prozent sind unschlüssig und 14 Prozent verhalten sich neutral. Beim Einsatz von künstlicher Intelligenz durch Krankenkassen überwiegt die Skepsis. Nur 24 Prozent befürworten die Nutzung uneingeschränkt. In diesem Punkt herrscht noch großer Aufklärungsbedarf: 46 Prozent sind unschlüssig und wünschen sich mehr Informationen.

 

Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 03-2024. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!

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