Linz: Pilotprojekt „Digitales Pflegeheim“ gestartet

07.03.2024, Sven C. Preusker
Digital Health, Pflege, Wissenschaft & Forschung, Gesundheitsversorgung

Die Seniorenzentren Linz GmbH (SZL) befindet sich zu 100 Prozent im Eigentum der österreichischen Stadt Linz und betreibt Häuser an zehn Standorten im gesamten Stadtgebiet. Stationär werden aktuell 1.170 Bewohnerinnen und Bewohner von 800 Mitarbeitenden betreut. Neue Technologien sollen den häufig schweren Arbeitsalltag der Beschäftigten künftig erleichtern sowie die Pflege einfacher und sicherer machen. Die Testphasen für die unterschiedlichen Technologien sind für das erste Halbjahr 2024 am Standort Liebigstraße geplant und haben im Februar begonnen. Sukzessive sollen verschiedene Technologien eingefüht und getestet werden, dann wird eine Evaluierung stattfinden. Eine Ausrollung auf weitere Häuser ist — je nach Evaluationsergebnis — ab 2025 vorgesehen.

Die SZL arbeiten dabei mit dem regionalen Dienstleistungs- und Softwarepartner x-tention Informationstechnologie GmbH zusammen. Mit der Entscheidung zur verstärkten Digitalisierung wolle man den Bewohnerinnen und Bewohnern eine verbesserte Pflege, mehr Sicherheit und die bestmögliche Lebensqualität in der stationären Pflege bieten, so die SZL. Der Träger kooperiert in Forschungsfragen bereits seit mehreren Jahren mit den Studiengängen des Campus Linz der Fachhochschule Oberösterreich (FHOÖ). Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von Prof. Dr. Renate Kränzl-Nagl und Prof. Dr. Thomas Prinz von der FHOÖ, die evidenzbasierte Daten und eine fundierte Wirkungsanalyse liefern sollen.

Eines der Ziele des Projekts sei, so der Linzer Bürgermeister Klaus Luger, die Attraktivität der Pflege- und Betreuungsberufe zu erhöhen sowie so zur Reduktion des Personalmangels beizutragen. Tag für Tag würden Pflegekräfte Enormes für die ältere Bevölkerung und die gesamte Gesellschaft leisten. Damit sie ihre herausfordernden Aufgaben bewältigen könnten, sei es unabdingbar, adäquate Rahmenbedingungen zu schaffen. Als Innovationshauptstadt sei es der Stadt Linz ein großes Anliegen, neue Technologien in all ihren Facetten zu nutzen. 

Eingeführt werden sollen über den Projektzeitraum unter anderem die Pflegedokumentation per Spracheingabe, verbesserte Sturzsensorik und Risikomonitoring, smarte Pflegebetten sowie telemedizinische Angebote.

Die SZL nutzen das elektronische Dokumentationssystem Vivendi. Seit mehreren Jahren sind auch Tablets in der Pflege im Einsatz, mit denen Maßnahmen aufgezeichnet werden und beispielsweise Wunddokumentation stattfindet. Auch technische Hilfsmittel zur Sturzerkennung (Sturzmatten, Sensoren) sowie Desorientierten- und Ortungssysteme für Menschen mit Demenz kommen bereits zum Einsatz, diese seien jedoch technisch noch nicht so ausgefeilt wie jene, die nun getestet würden, hieß es. 

KI-unterstützte Spracherkennung für die Dokumentation

Mit Hilfe von Spracherkennung und künstlicher Intelligenz (KI) soll die Pflegedokumentation jetzt weiter vereinfacht werden. So kann die Dokumentation einfach am Smartphone eingesprochen werden. Aus einem eingesprochenen „Frau S. hat eine Tasse Kaffee getrunken und gut gefrühstückt. Blutzucker 120” extrahiere die KI, was die Pflegekraft dokumentieren möchte und erstell Trinkprotokoll, Ernährungsprotokoll und Vitalwert strukturiert im bestehenden Dokumentationssystem, so die SZL. Händische Eingaben würden damit überflüssig. Das System kommt von der voize GmbH. Der Sprachassistent auf dem Smartphone steckt während der gesamten Schicht in der Tasche und steht zur Dokumentation zur Verfügung. Die KI verstehe Dialekte und lerne die Sprechweise der Pflegekräfte, hieß es. Die Dokumentation mit dem neuen System spare Zeit, entlaste die Pflegekräfte und schaffe mehr Zeit für die Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner. 

Da Stürze eine häufige Ursache für Verletzungen bei pflegebedürftigen Menschen sind, sind effektive Sturzerkennung und Sturzprävention von großer Bedeutung. Die in dem Pilothaus zum Einsatz kommende Sturzsensorik Livy Care ist ein Sturzerkennungssystem mit mehreren Sensoren. Diese verfügen über vielfältige Möglichkeiten, wie z.B. die Erfassung von Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Durch ein engmaschigeres Monitoring könnten potenzielle Risiken frühzeitig erkannt werden, der Nachtdienst werde entlastet und die Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner erhöht, hieß es.

Das Monitoring in Echtzeit soll durch das smarte Pflegezimmer mit Produkten wie dem Pflegebett sentida 7-i und der SafeSense-3 Technologie von Wissner-Bosserhoff ermöglicht werden. Das Pflegebett könne unter anderem das Gewicht  und zukünftig auch Vitalwerte erfassen und diese direkt an die Pflegedokumentation senden.

Für die telemedizinische Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner soll das Telemedizin-System der Firma Docs in Clouds TeleCare GmbH zur Anwendung kommen. Es biete Lösungen für die Bereiche Kommunikation, Dokumentation und Diagnostik und ermögliche die sichere Übertragung medizinischer Daten, hieß es.

Der Geschäftsführer der SZL, Mag. Robert Ritter-Kalisch, betonte, es sei allen Beteiligten wichtig, weg- und zeitintensive Tätigkeiten technisch zu ersetzen, niemals aber persönlichen Kontakt, Berührung, Zuwendung und Beziehung. „Durch den Einsatz innovativer Technologien werden die Pflegekräfte entlastet und können sich verstärkt auf die eigentlichen Aufgaben konzentrieren – nämlich die individuelle Betreuung und Unterstützung der Bewohner*innen.“

Die Linzer Vizebürgermeisterin und Aufsichtsratsvorsitzende der SZL, Karin Hörzing, sagte: „Die Seniorenzentren der Stadt Linz sind stets bestrebt, Entwicklungen im Pflegebereich aufzugreifen und umzusetzen, um eine zeitgemäße und optimale Versorgung zu gewährleisten. Digitale Werkzeuge können dabei helfen, die Arbeitsabläufe zu optimieren. Sie sollen da zum Einsatz kommen, wo sie den Menschen Erleichterung verschaffen und den Mitarbeiter*innen wieder mehr Zeit für die eigentlichen Pflegeaufgaben verschaffen. Dass die Stadt Linz mit diesem Projekt österreichweit eine Vorreiterrolle einnimmt, freut mich als zuständige Sozialreferentin natürlich besonders“, so 

Wolfgang Pramendorfer, Geschäftsführer x-tention GmbH, merkte an, dass Digitalisierung allein den Fachkräftemangel nicht lösen werde, aber einen wesentlichen Teil zur Sicherstellung der Pflegequalität sowie Entlastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beitragen könne. Gemeinsam sei man „überzeugt, dass die Digitalisierung einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Pflege leisten kann und muss.“

 

Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 04-2024. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!

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