Kipppunkte in der Pflege in Deutschland vorhergesagt

18.04.2024, Dr. Kristina Mann
Pflege, Politik & Wirtschaft

Kipppunkte* werden meist in Verbindung mit der Klimaforschung genannt. Übertragen auf die Pflege markiert das Ausscheiden der Babyboomer einen Kipppunkt in der Pflege und belastet das Pflegesystem und die Pflegeversicherung zunehmend. Neben den bereits bestehenden Finanzierungslücken kommt es zunehmend zur Personalnot. Erwartet werden mehr Renteneintritte als Berufseinmündungen, so dass die Arbeitsmarktreserve drastisch sinken wird: von rund 11.750 Fachkräften (2,0 Prozent) in 2025 auf lediglich 5.600 Fachkräfte (0,5 Prozent) bundesweit im Jahr 2030, so berichtet der aktuelle Pflegereport der DAK, der vom Institut AGP Sozialforschung unter der Leitung von Professor Dr. Thomas Klie veröffentlicht wurde. Bremen und Bayern werden demnach die ersten Bundesländer sein, in denen der Pflegenachwuchs die altersbedingten Berufsaustritte der Baby-Boomer nicht mehr auffangen kann – und das voraussichtlich bereits 2029! Die Pflege wird zunehmend anfällig für Engpässe und die Belastung der verbleibenden Arbeitskräfte steigt. In den nächsten zehn Jahren müssten nach den Berechnungen fast in jedem Bundesland 20 Prozent Pflegepersonal ersetzt werden.

Aber die Babyboomer sind nicht nur Teil des Problems, sondern können auch Teil der Lösung sein, so der DAK Pflegereport: „Eine Mixtur aus nachberuflicher Erwerbstätigkeit und bürgerschaftlichem Engagement könnte vor Ort einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Pflegesituation leisten.“ Weiteres Potenzial liegt, so Professor Klie, in der deutlichen Ausweitung der Handlungskompetenzen des Pflegepersonals, weniger Vergabe fachfremder Aufgaben, weniger bürokratische Kontrolle, dafür kompetenzorientierter Einsatz in effizienteren Versorgungssettings. Es werden neue Formen gegenseitiger Unterstützung gebraucht, um eine solidarische Pflege und Sorge vor Ort sicherzustellen. Gefordert sind Politik, Unternehmen und die Gesellschaft gleichermaßen.

Zur entsprechenden Pressemitteilung und zum DAK-Pflegereport geht es HIER

*Kipppunkte: „Schiebt man eine Kaffeetasse über den Schreibtischrand passiert erst nichts, bis sie einen kritischen Punkt erreicht, an dem sie kippt und abstürzt“. Mit dieser einfachen Metapher diskutiert die Klimaforschung seit den frühen 2000er-Jahren über Kipppunkte im Erdsystem, darunter u.a. das Abschmelzen der Eisschilde am Nord- und Südpol, die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes oder das Erlahmen wichtiger Ozeanströmungen.

Dieser Beitrag stammt aus dem ProAlter Newsletter 02-2024. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!

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