Umfrage: Bevölkerung wünscht sich mehr Verantwortung für Pflegefachkräfte

19.10.2023, Sven C. Preusker
Pflege, Politik & Wirtschaft, Versorgung


Cartoon: Schilling & Blum, aus dem PFLEGEstark-Cartoonkalender für die Pflege 2024

Eine Mehrheit der Menschen in Deutschland wäre bereit, medizinische Ersteinschätzungen und Erstuntersuchungen von Pflegefachkräften vornehmen zu lassen. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag des Bosch Health Campus hervor. Darin zeigen 79 Prozent der Befragten die Bereitschaft, auf jeden Fall (32 Prozent) bzw. eher (47 Prozent) eine medizinische Ersteinschätzung, eine körperliche Erstuntersuchung oder die Behandlung von Bagatellerkrankungen von akademisch ausgebildeten Pflegefachkräften vornehmen zu lassen. Auch die Koordination unterschiedlicher Versorgungsleistungen sowie die Routinebetreuung und Überwachung von Patientinnen und Patienten mit stabiler chronischer Erkrankung kann einer Mehrheit zufolge (72 bzw. 71 Prozent) in den Ausgabenbereich von akademisch ausgebildeten Pflegefachpersonen fallen. Jeweils etwas mehr als die Hälfte der Befragten ist der Auffassung, dass auch die Entwicklung und das Angebot von Programmen rund um das Thema Vorbeugung und Gesundheitsförderung vor Ort (58 Prozent) die Ermittlung von Bedarfen in der Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung vor Ort, die Übernahme einer aktiven Rolle in der regionalen Bedarfsplanung (57 Prozent) sowie die aktive Beteiligung an Entscheidungsgremien (55 Prozent) in den Aufgabenbereich von akademisch ausgebildeten Pflegefachpersonen fallen sollte. Ansätze dazu hat die regierende Ampelkoalition auf Bundesebene in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, so unter anderem die Etablierung des Berufsbilds der Community Health Nurse, also von Pflegefachpersonen mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium, die als erste Ansprechpersonen rund um das Thema Gesundheit dienen und die Grundversorgung sichern sollen.

Allerdings bekommt die Politik von den Bürgerinnen und Bürgern kein gutes Zeugnis ausgestellt ¬– 92 Prozent der Befragten haben eher weniger oder gar kein Vertrauen, dass die Politik künftig eine qualitativ hochwertige und bezahlbare pflegerische Versorgung sicherstellen kann. Diese Einschätzung wird über alle Altersgruppen und das gesamte politische Spektrum hinweg geteilt. Auch stimmen nur wenige Menschen (16 Prozent) zu, dass die Bundesregierung bzw. der Bundesgesundheitsminister die richtigen Prioritäten in Bezug auf die Fachkräftesicherung in der Pflege setzen. Knapp drei Viertel der Befragten (72 Prozent) stimmen dieser Aussage eher nicht (41 Prozent) bzw. gar nicht (31 Prozent) zu. Insbesondere im Hinblick auf die wachsende Zahl älterer Menschen und den damit verbundenen Mehrbedarf an hochwertiger Pflege besteht wenig Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Systems der pflegerischen Versorgung. 35 Prozent gaben an, kaum Vertrauen zu haben, mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) hat aktuell gar kein Vertrauen.

In Korrelation dazu gaben 38 Prozent der Befragten an, dass sich die pflegerische Versorgung bei ihnen vor Ort verschlechtert habe, 36 Prozent stellten eine gleichbleibende Versorgung fest, fünf Prozent eine Verbesserung.

Bei den Befragten gibt es eine große Zustimmung für Maßnahmen, die die Fachkräfte in der Pflege halten und den Beruf attraktiver machen sollen. 92 Prozent stimmen einer Erhöhung der Mindestlöhne in der Kranken- und Altenpflege zu, 87 Prozent einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch die Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens und 86 Prozent befürworten Förderprogramme für digitale und technische Anschaffungen.

Die Befragung zum Thema Pflege in Deutschland (hier nachzulesen) hat die Forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen GmbH für den Bosch Health Campus durchgeführt. Es wurden insgesamt 1.003, nach einem systematischen Zufallsverfahren ausgewählte Personen ab 18 Jahren, mit Hilfe des repräsentativen Online-Panels forsa.omninet, in Deutschland befragt. Die Erhebung erfolgte vom 24. Juli bis 4. August 2023.

Aufruf der Pflegebevollmächtigten Claudia Moll

Die Bevollmächtigte der Bundesregierung für Pflege, Claudia Moll, hat derweil unter dem Titel „Gemeinsam für interprofessionelle Teamarbeit im Gesundheitswesen“ zu einer besseren Zusammenarbeit und Arbeitsteilung der Professionen in der Gesundheitsversorgung aufgerufen. Darin heißt es, man werde nie wieder so viele Fachkräfte im Gesundheitswesen haben wie jetzt, aber der Bedarf werde weiter steigen. Um die Versorgungsqualität sicherzustellen und einer Überlastung der Mitarbeitenden entgegenzuwirken, brauche man neue Strukturen mit einer effizienten Aufgabenverteilung – interprofessionelle Teamarbeit sei der Schlüssel dazu. Der Deutsche Pflegerat (DPR) unterstützte den Aufruf von Moll. DPR-Präsidentin Christine Vogler betonte: „Ein modernes Gesundheitssystem baut auf Interprofessionalität. Deutschland ist hier noch Entwicklungsland. Die Kompetenzen der Pflegefachpersonen werden nicht voll genutzt. Die Grundlagen dafür, dass Pflegefachpersonen Heilkunde selbstständig leisten dürfen, müssen kommen.“ Nur so sei das System überlebensfähig. Sie kritisierte, dass das System zu starr sei, die Machtverteilung und Einflussnahme im Pflege- und Gesundheitssystem seien festgefahren. All dies gefährde die Patientensicherheit schon seit langem. „Es ist dringend erforderlich, dass wir einen Paradigmenwechsel in der Pflege vollziehen und nicht nur darüber diskutieren. Der Aufruf von Claudia Moll ist richtig und von enormer Bedeutung.“

Der Fokus müsse dabei auf der pflegerischen Praxis liegen. Es müsse deutlich gemacht werden, wo die pflegerische Perspektive liege, welche Kompetenzen vorhanden seien und welche Qualität die berufliche Pflege biete. Dabei müssten die einzelnen Prozesse der interprofessionellen Zusammenarbeit mit anderen Heilberufen in Verbindung mit der übernommenen Verantwortung und Haftung betrachtet werden.

Vogler betonte, dass, basierend auf diesem Ansatz, sofortiges Handeln erforderlich sei, weiteres Warten auf Gesetzentwürfe sei keine Option. 

CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit Positionspapier

Auch aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gibt es neuen Input zu den vielen Diskussionen, die zurzeit im Bereich der Pflege geführt werden. In einem aktuellen Positionspapier will die Fraktion Lösungsvorschläge aufzeigen, wie die Situation verbessert werden könnte. Unter anderem finden sich in dem Papier Forderungen nach einer breiteren Finanzierungsgrundlage der Pflegeversicherung, nach einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege, zur Förderung von pflegenden Angehörigen und zum Ausbau der wohnortnahen und bedarfsorientierten Pflege. Einige Aspekte des Papiers finden in der Branche Zustimmung, andere werden eher kritisch gesehen – so bemerkte Dr. Bernadette Klapper, Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) im Interview mit medhochzwei, dass sich das Papier im Hinblick auf die Unterstützung pflegender Angehöriger und der echten Wertschätzung professioneller Pflege als schwach erweise. Scharf zu kritisieren sei außerdem, dass die CDU/CSU-Fraktion den Gegenstand von professioneller Pflege definiert – das stehe ihr nicht zu. Das vollständige Interview ist hier zu lesen.

Der Mitte des Jahres im medhochzwei Verlag erschienene Titel „Die Zukunft der Pflege im Krankenhaus gestalten“ bietet einen umfassenden Überblick über die aktuellen Herausforderungen in der Pflege aus vielen unterschiedlichen Perspektiven sowie konkrete Handlungsempfehlungen für die weitere Entwicklung der Pflege – Details zum Buch hier.

 

Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 20-2023. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!

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